Die Hure Babylon
Seite.
»Soll ich dir ein Lied spielen?«, fragte er.
»Nicht jetzt, mein Lieber.«
Er runzelte die Stirn. »Das hört man in letzter Zeit viel zu oft von dir.«
»Es tut mir leid.«
»Langweile ich dich etwa? Ist meine Kunst gar am Ende?«
»Ach, Peire, im Gegenteil. Deine Lieder sind so sterbensschön, dass ich sie kaum ertragen kann. Willst du, dass ich zerfließe und zu nichts mehr zu gebrauchen bin?«
Er lachte. »Du magst also keine Lieder mehr. Kein
canso d’amor.
Und doch liest du Ovid, den Poeten der Liebe.« Er nahm das Büchlein und schlug es an der Stelle auf, wo mein Lesezeichen steckte.
»Nec timide promitte: trahunt promissa puellas«,
las er vor. »Scheue dich nicht, Versprechungen zu machen, denn Mädchen lassen sich davon nur allzu gern betören.«
»Da siehst du’s, so sind die Männer«, sagte ich schnippisch und nahm ihm das Buch aus der Hand. »Und dann dies hier:
Iuppiter ex alto periuria ridet amantum
… Über die Meineide der Liebenden kann Jupiter nur lachen. Im Südwind lässt er sie verwehen, hat er doch selbst seiner Juno tausend Meineide geschworen.« Ich ließ das Buch sinken. »So wird mit uns Frauen umgegangen.«
Peire seufzte. »Du hast ihm also immer noch nicht verziehen.«
»Warum sollte ich?«
»Obwohl nun schon fast fünf Monate vergangen sind.«
Ich wandte trotzig den Kopf zur Seite und konnte trotzdem nicht verhindern, dass mir die Augen feucht wurden.
»Wer weiß, wo sie jetzt sind«, sagte er.
»Das will ich gar nicht wissen.«
»Und das soll ich dir abnehmen?« Er lehnte die Laute vorsichtig neben sich an die Bank. »Dabei fühle ich mich natürlich auch ein wenig verantwortlich.«
Ich verstand, was er meinte. Peire Rogier hatte mich damals ermutigt, auf böse Stimmen zu pfeifen, mich über Standesunterschiede hinwegzusetzen und endlich mein Herz sprechen zu lassen. Ohne ihn wären Arnaut und ich nie zusammengekommen.
»Ja, vielleicht hätte ich nicht auf dich hören sollen. Was hat es mir gebracht?«
»Bereust du etwa deine Zeit mit Arnaut?«
Er machte ein so erschrockenes Gesicht, dass ich lächeln musste. Ich dachte einen Augenblick nach. Nein, natürlich nicht, denn nur wenigen ist ein Glück beschieden, wie wir es hatten erleben dürfen. Umso grausamer, wenn es endet.
»Ich habe mir nichts vorzuwerfen und nichts zu bereuen. Ich frage mich nur, wenn er mich liebt, wie er vorgibt, wieso verlässt er mich dann?«
»Ermengarda! Er hat nicht mehr getan als tausend andere auch. Ist es so schlimm, dem Ruf des Heiligen Vaters zu folgen?«
»Der Schuft hat mich im Stich gelassen, als ich ihn am meisten brauchte. Zu keiner Zeit hätte es mich schlimmer treffen können.«
»Du meinst, als …«
Er sprach nicht weiter. Es war ihm peinlich.
»Du darfst es ruhig beim Namen nennen«, sagte ich. »Jawohl, als ich sein Kind verloren hatte und seine ganze Stärke gebraucht hätte. Auch eine Fürstin ist nur eine Frau. Es war schwer für mich.«
»Ich weiß das.«
»Und die Schmach. Wie steh ich da? Die
vescomtessa
von Narbona lässt sich unehelich schwängern. Und dann lässt der Kerl sie auch noch sitzen. Ich bin zum Gespött der ganzen Stadt geworden.«
»Du weißt, dass das nicht stimmt.«
»Und er? Er hat nur von Sünde gefaselt und Vergebung. Eine dümmere Ausrede ist ihm wohl nicht eingefallen.«
»Ich glaube, er hat es aufrichtig gemeint.«
»Dann ist er ein leichtgläubiger Tropf. Die reden den Leuten doch nur diesen Unsinn ein, damit sie gefügig sind und tun, was man ihnen sagt. Wir hätten Gott durch unsere Sünden beleidigt, sagen sie, und könnten nur Vergebung finden, indem wir Ungläubige töten.«
»Du meinst Clairvaux.«
»Ihn und andere, die die Gutgläubigkeit der Menschen für ihre Zwecke missbrauchen.« Mir waren Zornestränen in die Augen getreten. Mit dem Rockzipfel wischte ich sie weg. »Wie konnte Arnaut nur auf ein solches Geschwätz reinfallen?«
»Da befindet er sich in guter Gesellschaft. Zwei Könige haben das Kreuz genommen und viele Große des Frankenreichs.«
»Ja, vielleicht hat ihn das gereizt. Der große Heerzug, das Abenteuer. Die Gelegenheit, es seinem Großvater gleichzutun. Wahrscheinlich war das Gerede von Sünde nur ein Vorwand, um mir endlich zu entfliehen.«
»Ein Mann sollte sein Leben selbst bestimmen dürfen.«
»Hab ich ihm das etwa verwehrt?«
Peire sah mich mit seinen dunklen Augen an. »Ich weiß es nicht. Sag du es mir.«
Seine Worte verwirrten mich für einen Augenblick. Aber dann packte
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