Die Hure Babylon
nun ist er fort. Und er kommt nicht wieder. Das hat er mir selbst gesagt. Und ich …« Er baute sich vor mir auf und deutete auf die eigene Brust. »Ich bin immer noch da.«
»Ich weiß es zu schätzen, Felipe«, erwiderte ich kühl. »Aber eines hat sich nicht geändert. Als Mann liebe ich dich nicht.«
Es war, als hätte ich ihm eine Ohrfeige gegeben. Er starrte mich an, und dann schien sein Gesicht in sich zusammenzufallen.
»Der verdammte Fluch meines Vaters, den ich geerbt habe«, murmelte er. »Diese unselige Liebe, die einen das Leben lang verfolgt und das Herz zerfrisst.«
»Du bist weder dein Vater, noch bin ich la Bela.«
Wütend sah er mich an. »Nein, das bist du nicht, verflucht! Aber genauso kalt und abweisend.«
Damit schmetterte er den Weinkelch an die Wand und stürmte aus dem Raum.
Ich musste tief Luft holen, denn ich zitterte vor Erregung. Schließlich ließ ich mich auf einen Stuhl fallen und vergrub mein Gesicht in den Händen. Warum hatte ich Arnaut verteidigt? Warum Felipe verletzt? Er war ein guter Mann.
Machte ich denn alles falsch,
mon Dieu?
Am Bosporus
E in für Mitte Oktober ungewöhnlich scharfer Nordwind fegte durch die Meerenge des Bosporus und wühlte das Meer zu kabbeliger See auf.
Immer wieder hoben die anrollenden Wogen ruckartig den Bug der Galeote oder krachten mit solcher Wucht in die Planken, dass weiße Gischt über das Deck fegte und das kleine Ruderschiff bis in die Mastspitze erzitterte. Auch der strahlend blaue Himmel war keine Entschädigung für die feuchte Kälte und üble Schaukelei.
Die Galeote war überladen und lag schwer im Wasser. Die Ruderer kämpften an den Riemen, während so manche Welle ihnen das Holz aus den Händen zu reißen oder die Rippen zu brechen drohte. Auch der Steuermann hatte Mühe, den Bug gegen die Wellenkämme zu halten. Mehr als einmal schlug das Schiff quer, so dass grüne See über die Bordwand aufs Deck schwappte, auf dem jeder freie Platz von Männern, Kriegsgerät, verängstigten Pferden und Gepäck belegt war. Durchnässt und in übler Laune klammerten Arnaut und Severin sich irgendwo an die Wanten, wo sie den Seeleuten nicht im Weg waren.
»Noch mal kriegt mich keiner auf so einen Teufelskasten«, brüllte Severin gegen den Wind. Er war bleich und sah aus, als würde er sich gleich übergeben. Auch Aimar, Jori und Lois Bernat hingen mit Elendsmienen an der Bordwand.
Nein, es war kein guter Tag, um überzusetzen. Aber die Byzantiner waren ungeduldig gewesen, das fränkische Heer endlich loszuwerden, bevor Plünderungen und Gewalttätigkeiten überhandnahmen. Trotz Bemühungen der Heerführer war es nicht leicht gewesen, zwanzigtausend Mann im Zaum zu halten. Besonders wenn sie hungrig waren und sich von den unerhörten Preisen der Griechen übervorteilt fühlten.
Von der Stadt am Goldenen Horn hatten die meisten wenig zu sehen bekommen. Außer dem König und seinem Gefolge waren nur ausgewählte Grüppchen eingelassen worden. Der Großteil des Heeres hatte sich mit den zugewiesenen Lagerplätzen weit außerhalb der Vorstädte begnügen müssen, mit wenig Brennholz, schlechter Nahrung und ungenügend Futter für die Tiere. Dazu täglich Prügeleien mit byzantinischen Söldnern, die die Aufgabe hatten, Ordnung zu halten. Und zur Zerstreuung nichts als elende Hafenhuren, die gegen unverschämtes Geld den nach Weibern hungernden Männern ein wenig Erleichterung verschafften. Jedenfalls denen, die geduldig genug waren, stundenlang anzustehen, bis sie an der Reihe waren.
Nach vier Monaten ermüdenden Marsches hatte man sich wahrlich mehr von der reichsten Stadt der Christenheit versprochen, und dementsprechend gereizt war die Stimmung unter dem Heervolk. Aber nun ging es ja weiter. Besser dem Feind entgegenzumarschieren, als sich noch länger von griechischen Aasgeiern ausnehmen zu lassen.
In etwa der Mitte der Meerenge warf der Steuermann das Ruder herum. Von hier ließ sich Kurs auf Chalcedon nehmen, ohne Gefahr zu laufen, dass die schwerbeladene Galeote voll Wasser schlug. Mit Wind und Wellen aus achterlicher Richtung wurden die Bewegungen des Rumpfes ruhiger. Arnaut begann, sich neugierig umzuschauen.
Die antiken Tempel von Chalcedon auf der asiatischen Seite hoben sich weiß gegen einen Hintergrund von sanften, grünen Hügeln ab. Anatolia, wie die Griechen es nannten, das Land der aufgehenden Sonne. Trotz des Windes herrschte reger Verkehr auf dem Bosporus. Gen Süden, und wie Perlen auf einer Schnur, zierten die
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