Die Hure Babylon
mich erneut die Erbitterung. »Wahrscheinlich geht es ihm nur darum, Schlachtenruhm zu erringen und glorreiche Taten zu vollbringen. Ist das nicht, was ihr Männer wollt?«
»Mir genügt, was ich auf meiner Laute vollbringe.«
Armer Peire. Was quälte ich ihn mit meinen düsteren Gedanken? Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen.
»Mit dir wäre ich also glücklicher geworden«, sagte ich halb im Scherz.
Das brachte ihn in Verlegenheit. Aber nur kurz, dann grinste er. »Ach,
Midomna.
Du weißt, ich liebe dich, aber ich schmachte lieber aus der Ferne. Mit vollem Magen dichtet sich so schlecht.«
Da musste auch ich lachen.
»Ich sehe schon. Nicht einmal du willst mir treu sein.«
Peire fasste meine Hand. »Sei nicht bitter, Ermengarda. Er kommt wieder.«
Doch ich entzog mich ihm. »Ich will ihn nicht mehr sehen. Soll er doch eine von diesen Sarazeninnen heiraten.«
♦
In einer Nische meines Empfangsraums, auf hohem Marmorsockel, steht eine kleine römische Bronze der Göttin Diana, eine schöne, lebendig wirkende Arbeit. Sie war das Lieblingsstück meiner Stiefmutter Ermessenda la Bela, die vor mir, nach dem Tod meines Vaters, Regentin gewesen war. Alles, was an la Bela erinnerte, hatte ich aus dem Palast entfernen lassen, außer dieser Statuette. Ich hatte sie behalten, fast wie eine Trophäe, als wollte ich mich immer an den Sieg über diese elende Ränkeschmiedin erinnern, die mir nach dem Leben getrachtet hatte.
Es hieß, la Bela habe dem geheimen Dianakult angehört, hätte die Zauberkräfte der Göttin für ihre machtgierigen Zwecke benutzt. Hatte ich deshalb die Bronze behalten? Ein magisches Götzenbild der Macht, die ich errungen hatte? War ich schon wie la Bela geworden, dass ich immer meinen Kopf durchsetzen musste? Ich sei nicht anders als sie, hatte meine Schwester Nina mir einmal vorgeworfen.
Arnaut wolle doch nur sein Leben selbst bestimmen, hatte Peire Rogier gesagt. Hatte ich ihm das denn verwehrt? War ihm deshalb die Luft zu stickig geworden?
Ich starrte die Göttin an. Ihr kühler Blick gab keine Antwort. Am liebsten hätte ich sie gepackt und auf dem Boden zerschmettert. Aber wie immer hinderte mich etwas daran.
Wütend drehte ich mich um, goss mir einen Becher Wein ein und nahm einen tiefen Schluck. Da fiel mir die andere Geschichte Ovids ein, die ich heute gelesen hatte. Von Ariadne, die sich, von ihrem Geliebten Theseus verlassen, dem Weingott Bacchus hingegeben hatte und seine Braut geworden war. Hastig stellte ich den Becher ab. Nein, mich zu betrinken, das fehlte mir gerade noch.
Und dann musste ich an Adela denken, arme Adela. Ein Sohn, der sich nicht einmal verabschieden kann, der ihr nur einen Boten mit dürren Worten schickt. Aufgelöst war sie nach Narbona gekommen, in Begleitung ihres schweigsamen Bruders Raol. Alles wollte sie wissen, wie es zu Arnauts plötzlichem Entschluss gekommen war. Fast beschuldigte sie mich, Arnaut zu diesem Entschluss getrieben zu haben, bis ich sie überzeugte, dass er selbst darauf bestanden hatte. Von dem verlorenen Kind wollte ich ihr nichts erzählen. Noch zu schmerzhaft war die Erinnerung. Und jedes Mal, wenn ich daran dachte, erfasste mich wieder diese schreckliche Leere.
Eigentlich hatte ich mit Rocafort nichts mehr zu tun haben wollen. Aber wer kann
Domna
Adela nicht zugetan sein? Außerdem erinnerte ich mich an die guten Dienste, die mir
Senher
Raol einmal geleistet hatte, und welchen Dank ich ihm schuldete. Deshalb nahm ich seine Bitte um
homagium
an und ließ ihn Treue zu Narbona schwören.
Erfreulicherweise teilte Raol meinen Abscheu gegenüber diesem unsinnigen Heerzug nach Outremer. Es habe gar nichts mit dem Glauben zu tun, sagte er. Rom gehe es nur um Macht und Einfluss, und jener Clairvaux sei der Gehilfe des Teufels.
Seltsam, mit dem Sohn bin ich zerstritten, doch seine Familie ist mir nun näher denn je.
Es klopfte, und
Domna
Anhes, ohne zu warten, steckte den Kopf zur Tür herein. »Felipe de Menerba wünscht dich zu sprechen.«
Eine ihrer selbst auferlegten Aufgaben war es, über mich wie ein Zerberus zu wachen. Seit Severin die Leibgarde nicht mehr befehligte, kam niemand mehr zu mir, ohne vorher Gnade vor ihren Augen gefunden zu haben.
»Komm einen Augenblick herein, Anhes«, sagte ich. »Ich will dich etwas fragen.«
Sie trat näher. »Was ist, Kind?«
»Glaubst du, ich war zu bestimmend mit Arnaut? Zu herrisch vielleicht?«
Erstaunt sah sie mich an. »Es hat noch keinem Mann geschadet, wenn sein Weib ihm
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