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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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man weiß, oft am besten verdienen.
    Drei Tage hatte das Heer in Laodikeia verweilt, in der Hoffnung, die Einheimischen würden sich überreden lassen, zurückzukehren und ihre Vorräte zu teilen. Doch vergeblich. Niemand hatte sich blicken lassen, die Stadttore waren verschlossen geblieben. Die meisten edlen Herren waren überzeugt, man müsse nur die Stadt erstürmen, sie wie eine reife Nuss aufknacken, um alles Nötige zu finden. Doch der König wollte es sich nicht mit Byzanz und dem Kaiser verderben, auf dessen Hilfe er auch in Zukunft zählen wollte. Kein Angriff also auf Laodikeia.
    Nachdem im ganzen Tal noch die letzte Hütte nach Essbarem durchsucht worden war, hatte man schweren Herzens beschlossen aufzubrechen. Bis nach Attalia an der Küste standen ihnen fünfzehn Tage durch unwegsames Hochland bevor. Die Verpflegung, die sie zusammengekratzt hatten, würde für höchstens fünf oder sechs davon reichen. Am meisten machte ihnen Sorge, die Tiere durchzubringen.
    Arnaut blickte gen Süden. Der Himmel war bedeckt. Ein scharfer Wind blies von den verschneiten Höhen herab und schnitt durch Mark und Bein. Der massige Kadmus mit seiner schneebedeckten Spitze und dunklen Wäldern auf den steilen Hängen stand wie ein finsterer Hüter neben dem Tor zum Hochland, einem engen, schluchtartigen Tal an seiner Flanke. Durch diese scharfe Kerbe zwischen mächtigen Bergen würden sie aufsteigen müssen, ein Gelände wie geschaffen für Hinterhalte. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn bei dem Gedanken.
    Er sah sich um. Seine Männer waren bereit. Auch Bertran saß im Sattel, Leibwache und Fahnenträger an der Seite. Sein rotes Banner flatterte über ihnen im Wind, das Tuch verblichen, die Ränder ausgefranst. Die Tolosaner, die noch viele Verwundete zu versorgen hatten, waren unter anderen zur Bewachung des Trosses eingeteilt, der in der Mitte des Heerzugs marschieren würde, wo sich auch die Alemannen befanden. Der König und die Templer bildeten die Nachhut.
    Die Vorhut dagegen war längst aufgebrochen und bestand fast ausschließlich aus der Reiterei, um besser gegen Angriffe der Seldschuken gewappnet zu sein. Nach ihnen war eine große Zahl Fußtruppen an der Reihe. Und nun sie selbst. Arnaut hob den Arm zum Abmarsch.
    Auch Constansa gab ihrem Pferd die Fersen und folgte dichtauf. Sie versuchte, ihre Gedanken einzig auf den kommenden Marsch zu richten, obwohl es ihr schwerfiel, die quälenden Erinnerungen abzuschütteln. Sie spürte immer noch die gierigen Hände, die sie begrapscht hatten, das brutale Eindringen in ihren Leib. Würde sie sich jemals wieder ganz rein fühlen?
    An jenem unheilvollen Tag waren sie erst in der Dunkelheit ins Lager zurückgekehrt und hatten sich wie Diebe zu den Zelten geschlichen. Am nächsten Morgen war es Constansa nur mit großer Überwindung gelungen, überhaupt ihr Gesicht zu zeigen, als könnte man ihr das Vorgefallene an der Stirn ablesen.
    Nur Elenas tröstende Gegenwart und Zuspruch hatten sie davor bewahrt, nicht völlig in Selbsthass und Schwermut zu verfallen. Inzwischen war sie fest entschlossen, ihre Schmach tief in sich zu vergraben und auf den Tag der Vergeltung zu warten. Der Gedanke an Rache verlieh ihr genügend Kraft, ihre Verletzung vor allen zu verbergen und wie gewohnt ihren Platz in Arnauts Truppe einzunehmen.
    Nur Severin hatte sich nicht täuschen lassen. Ihm war gleich aufgefallen, dass sie mit einem Mal stiller und verschlossener geworden war. Sie lachte nur noch selten und schien ihn zu meiden. Er konnte es sich nicht erklären. Hatte er sie verletzt? Seine Fragen hatte sie barsch zurückgewiesen. Gekränkt hielt er sich von ihr fern und bildete den Abschluss der Truppe.
    Weiter hinten hatte sich nun auch der Tross in Bewegung gesetzt. Elena zog ihr Packtier hinter sich her. Neben ihr ritt die hochschwangere Sklavin Munira auf einem Maultier mit silberbeschlagenem Zaumzeug aus rotem Leder. Da die Geburt bald zu erwarten war, hatte Elena von Josselin die Erlaubnis erwirkt, Munira auf dem Marsch in ihrer Nähe zu behalten.
    »Wie fühlst du dich, Kind?«, fragte sie.
    Die Sklavin stemmte die Fäuste in den Rücken und stöhnte. »Der Sattel drücken mich, gleich, wie sitzen.« Sie sprach nur gebrochen Fränkisch, aber Elena verstand, was sie meinte.
    »Bald bist du deine Bürde los«, sagte sie.
    Als eine Abteilung Templer an ihnen vorübertrabte, erkannte Elena einen ihrer gottverfluchten Peiniger wieder. Der Kerl hatte die Unverfrorenheit, ihr auch noch

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