Die Hure Babylon
anzüglich zuzuwinken. Wütend hob sie einen Stein vom Boden, beherrschte sich jedoch im letzten Augenblick.
»Das Schwein hat mich um Geld betrogen«, sagte sie zur Erklärung, als sie Muniras erstaunten Blick auf sich spürte.
In Wahrheit hatte Elena die Vergewaltigung stärker mitgenommen, als sie Constansa gegenüber hatte zugeben wollen. Auch in ihr schwärte das Erlebte wie eine offene Wunde, und trotz ihres Schwurs, Stillschweigen zu bewahren, war das Bedürfnis groß, sich jemandem anzuvertrauen. In einem stillen Augenblick hatte sie unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses mit
Fraire
Aimar geredet.
»Es waren Templer? Bist du sicher?«, hatte er empört gefragt. »Man muss sie bestrafen. Der König ist sehr streng in allem, was mit Unzucht zu tun hat.«
»Constansa will, dass niemand etwas erfährt«, flüsterte sie. »Besser, es wächst Gras über die Sache. Bei mir ist es anders. Die meisten halten mich ohnehin für eine Hure, auch wenn es nicht stimmt. Aber als Adelige könnte die arme Constansa niemand mehr in die Augen blicken, wenn es herauskäme.«
Aimar seufzte. »Noch dazu Ordensbrüder. Wie schändlich.« Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist es der Krieg. Im Krieg verrohen die Menschen.«
Elena ließ ihren Tränen freien Lauf. »Man fühlt sich so getreten und entehrt, als wäre man nichts als Dreck unter ihren Stiefeln. Dabei muss man noch dankbar sein, dass sie einen nicht umgebracht haben. Und Constansa, die frisst es in sich hinein, bis sie daran erstickt.«
»Soll ich mit ihr reden?«
»Um Gottes willen, nein. Sie würde vor Scham sterben. Ich kümmere mich schon um sie.«
Das war gestern gewesen.
»Was bist du so still, Elena?«, fragte Belinda, die zu ihr aufgeschlossen war. Sie war ein hübsches, rundliches Ding, das trotz der schmalen Kost immer noch genug Speck auf den Rippen hatte, um den Männern zu gefallen.
»Nichts. Mir geht es gut. Wenn es mit Munira so weit ist, will ich, dass du mir hilfst.«
Belinda nickte. »Ich weiß, wie es geht.«
»Du kannst auf uns zählen«, sagte auch Joana.
Weiter vorn marschierten die Tolosaner.
Fraire
Aimar hatte sich heute zu ihnen gesellt. »Was, glaubst du, haben wir im Hochland zu erwarten?«, fragte er Bertran.
»Karge Landschaften wahrscheinlich. Und ich hoffe nicht, dass hinter jedem Felsen ein Seldschuke lauert.« Er lachte.
Um die Mittagszeit, nach einer kurzen Rast, stieg die Straße an. Linker Hand ein breiter Bergbach, hier und da noch eine Bauernkate oder Schäferhütte, doch je weiter sie hinaufkamen, umso einsamer wurde es. Das Tal wurde enger, der Wald immer dichter und dunkler, die Hänge steiler. Jeder wusste, dass sie von hier an ins unbekannte Land der Seldschuken eindrangen. Beunruhigend auch, dass die griechischen Führer die
militia
verlassen hatten. Ohne ein Wort waren sie verschwunden.
Um sich aufzumuntern, stimmten die Männer das beliebte Lied an, das zur Hymne dieser Wallfahrt geworden war:
»Wer mit Louis gen Osten zieht, muss die Hölle nicht fürchten …«
Die Worte gaben ihnen Mut. Hatten sie nicht zweimal schon gesiegt? Wovor sollten sie sich also fürchten? Weder vor der Hölle noch vor den Türken, verflucht noch mal! Und so sangen sie, bis die Kehlen heiser waren.
Doch dann kamen sie an eine Stelle, wo sie eine grausige Entdeckung machten, die ihnen den Frohsinn gründlich vertrieb. Zu beiden Seiten des Weges lagen unzählige halb verweste Leichen, die anklagend aus leeren Augenhöhlen starrten, ausgeplündert und von wilden Tieren bis zur Unkenntlichkeit angefressen. Und doch erkannten Herzog Friedrich und die Seinen an Einzelheiten, wie die Form einer Schuhschnalle oder das Wappen auf einem verblichenem
sobrecot,
dass es Alemannen waren. Bischof Otto von Freising und seine Leute mussten hier den Tod gefunden haben, eine andere Erklärung gab es nicht. Dieser grausige Fund inmitten dunkler Wälder erschütterte die Moral der Krieger aufs tiefste. Viele wandten sich stumm ab, andere fielen auf die Knie und beteten für die Seelen der Erschlagenen.
»Dieser Statthalter, dieser verfluchte Demetrios, hat sie verraten«, wetterte Robert de Dreux, der Bruder des Königs. »An die Seldschuken hat er sie verkauft, dafür gehe ich jede Wette ein.«
»Sie treiben ein böses Spiel mit uns«, pflichtete Amédée de Savoie ihm bei. »Schon gemerkt? Alle griechischen Führer haben sich davongemacht. Die wussten schon, was wir hier finden würden.«
»Hab ich nicht immer gesagt, wir hätten
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