Die Hure Babylon
Domina,
obwohl diese Pilgerfahrt nicht Deine Zustimmung gefunden hat, möchte ich Dir berichten, wie es uns ergangen ist. Zunächst solltest Du Arnaut nicht zürnen, wenn einige Deiner Söldner in seinen Dienst getreten sind. Sie sind freiwillig gekommen. Er hat sie nicht dazu gedrängt.
Wir haben uns Alfons Jordans Sohn Bertran und einer Abteilung Tolosaner auf dem Landweg angeschlossen. Der Graf von Tolosa selbst plant später per Schiff ins Heilige Land zu reisen.
Es war ein langer Weg durch viele Länder. Über den Rhenus, entlang der Danubia, durch die großen Ebenen der Ungarn und Bulgaren bis nach Adrianopolis und nun endlich, Anfang Oktober, nach vier Monaten, haben wir Konstantinopel erreicht.
Ich hatte Glück und durfte in die Stadt. Wüsste ich nicht, dass Jerusalem das Zentrum der Welt ist, man könnte meinen, es läge hier. Riesige Kirchen und Paläste, Bäder und mit Statuen geschmückte Plätze. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus, wohin man auch seine Schritte lenkt.
Unterwegs hatten wir einige Schwierigkeiten mit den Soldaten des Kaisers, aber hier behandelt man uns gut, auch wenn sie Wucherpreise für die tägliche Nahrung verlangen. Weshalb der König so schnell wie möglich aufbrechen will. Morgen werden wir nach Asia übersetzen.
Es geht uns allen gut. Arnaut weiß nicht, dass ich Dir schreibe, aber Severinus lässt Dich grüßen. Vielleicht gelingt es mir, Dir eine Botschaft von Antiochia zu senden, soweit es Gottes Wille ist, uns wohlbehalten bis dorthin zu geleiten.
Der Herr sei mit Dir,
Dein treuer Diener
Aimar
Ich ließ das Blatt auf meinen Schoß sinken.
Tränen strömten mir über die Wangen. Maria im Himmel, dir sei gedankt! Es ging ihnen also gut. Das war das Allerwichtigste. Es ging ihnen gut, wiederholte ich immer wieder bei mir. Und damit war doch auch Arnaut gemeint, nicht wahr?
Ich konnte kaum einen anderen Gedanken fassen und musste erst einmal tief durchatmen. Arnaut war, wie es aussah, auf der langen Reise weder an Fieber erkrankt, vom Pferd gestürzt noch vom Blitz erschlagen. Ach herrje, war ich erleichtert. Erst in diesem Augenblick wurde mir so recht bewusst, wie sehr ich doch gebangt hatte.
Ich las die Nachricht ein zweites, ein drittes und ein viertes Mal. Im Oktober hatte Aimar ihn geschrieben. Vier Monate war dieser Brief unterwegs gewesen. Aber nun war er hier bei mir. Ich drückte den Fetzen Pergament an meine Brust und war für einen Augenblick das glücklichste Weib in ganz Narbona.
Der Schicksalsberg
A lles war bereit, die Lagerfeuer gelöscht, die Tiere beladen, die Marschordnung festgelegt.
Arnaut untersuchte noch einmal die Wunde an Amirs Schulter. Sie nässte nicht mehr und schien zu heilen. Er strich dem Hengst aufmunternd über Hals und Flanken. Schmerzlich zu sehen, wie mager das Tier geworden war. Auch vermisste er das widerspenstige Feuer in seinen Augen. Seinem Wallach, den er seit Tagen ritt, ging es nicht besser. Das harte, wenig nahrhafte Wintergras war einfach nicht genug für die Leistungen, die den Tieren täglich abverlangt wurden. Unter der schlechten Versorgung schienen vor allem die Pferde zu leiden, weit mehr als die Maultiere.
»Gib gut auf ihn acht, Lois Bernat.«
Der Junge hielt den Hengst am Halfter und strich ihm liebevoll über die Nase. Er und die anderen Pferdeknechte würden wie gewohnt mit den Packtieren im Tross marschieren, zusammen mit den noch nicht kampffähigen Verwundeten ihrer Truppe, mit Elena und ihren Mägden, Joana und Belinda.
»Keine Sorge,
Senher
«, grinste Lois Bernat. Die Mühsale der Reise schienen ihm eher gutgetan zu haben. Er war kräftiger geworden, und sein Rotschopf war allen ein vertrauter Anblick im Lager.
»Ich hab noch etwas Heu und Hafer aufgetrieben«, sagte er. »Damit können wir ein paar Tage länger auskommen.«
Arnaut gab ihm einen freundlichen Klaps auf die Wange. »Ich weiß nicht, wie du das immer fertigbringst, Junge.«
Lois Bernat hatte eine fast unheimliche Gabe, Dinge aufzutreiben, die die Truppe brauchte. Nahrung, Futter, Schuhwerk, wollene Decken oder Hufeisen für die Tiere. Meistens fragte man besser nicht, woher der Segen stammte. Seine Beute verteilte er freigebig an alle, die es am Nötigsten hatten. Deshalb konnte er, wenn bei seinen Beutezügen Mut oder Muskeln gefordert waren, auf jeden der Männer zählen. Es blieb auch immer etwas für Elena übrig, die damit in beider Namen einen schwunghaften Handel betrieb, denn in Zeiten der Not lässt sich, wie
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