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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Konstantinopel stürmen sollen, anstatt uns hier die Füße wund zu laufen?«, zischte Bischof Godefroy. »Das hätte der Christenheit mehr Gutes getan als alles andere.«
    »Und der Kirche noch mehr Macht beschert, als sie schon hat«, knurrte Amédée. »Kaum zu ertragen, wenn ihr mich fragt.«
    Doch der König fragte nicht. Er machte nur ein gequältes Gesicht über so viel dummes Gerede.
    »Wir müssen weiter«, sagte schließlich Everard des Barres, der Großmeister. »Lasst die Leichen eiligst begraben und befehlt den Männern ständige Kampfbereitschaft.«
    Flache Gräber wurden ausgehoben. Und bald setzte sich der Zug wieder in Bewegung. Diesmal hatte niemand Lust zu singen. Schweren Schrittes marschierten die Männer bergan, bis es zu dunkeln begann.
    An ein ordentliches Lager war nicht zu denken, dazu fehlte es an freiem Gelände. Der Hang, auf dem sie sich befanden, war zu abschüssig, um mehr als ein paar Zelte zu errichten. Die meisten schliefen in Decken gerollt am Wegrand oder im Unterholz unter Bäumen. Wenn sie überhaupt schliefen und nicht beklommen auf jedes Geräusch des nächtlichen Waldes lauschten.
    Auch Königin Alienor fand keinen Schlaf. Ganz so hatte sie sich eine Wallfahrt nach Jerusalem nicht vorgestellt. Auf die vielen Toten und Verwundeten war sie nicht vorbereitet gewesen. Es zerriss ihr das Herz, die Männer leiden zu sehen. Auch wenn sie niemals klagte, aber die Eintönigkeit des Marsches zerrte an den Nerven. Sie fühlte sich schmutzig, schien ständig zu frieren und hatte es gründlich satt, in Zelten zu leben, in Pferdekot zu treten und halbgares, angekohltes Fleisch zu essen.
    Obwohl sie seit Monaten nicht miteinander schliefen, heute klammerte sie sich an den Leib ihres Gemahls. Und seine ungeschickten Bemühungen, sie zu befriedigen, waren ihr ein Trost in dieser Nacht.
    ♦
    Kurz nach Mitternacht setzten die Wehen ein.
    Die Sarazenin Munira biss die Zähne zusammen, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Aber dann wurde sie von einem so heftigen Schmerz gepackt, dass sie aufschrie.
    Elena rührte sich schlaftrunken. »Was ist, mein Engel?«
    »Ich glaube, es kommt.«
    Elena richtete sich auf. »Und das Fruchtwasser?«
    »Schon, glaube ich.« Munira stöhnte. »Tut so weh.«
    »Das hört gleich wieder auf.«
    Tatsächlich flachte der Schmerz bald ab, und Munira entspannte sich etwas. Dafür fror sie wieder elendig trotz der Teppiche und Decken, in die sie sich gewickelt hatte. Die Kälte kam vom feuchten Boden herauf und durchdrang einfach alles.
    Elena rückte dichter an sie heran und zog über beide auch ihre eigene Decke. Dann lagen sie still und warteten auf die nächste Wehe. Am Himmel hing ein bleicher Halbmond, dessen kaltes Licht durch die Äste der Bäume sickerte. Zu beiden Seiten hörten sie das Schnarchen der Männer. Etwas unterhalb und nicht weit von der Stelle, wo sie lagen, konnte man den Schein eines Lagerfeuers ausmachen und die Schatten der Soldaten, die Wache hielten. Hinter ihnen raschelte es im Gras, und Munira zuckte zusammen.
    »Es ist nichts«, murmelte Elena. »Versuch zu schlafen.«
    Ein unsinniger Rat, denn wie zu erwarten wurde Munira die ganze Nacht hindurch von Wehen geschüttelt, die sich in immer kürzeren Abständen wiederholten. Doch das Kind wollte nicht kommen. Es war, als würde es sich sträuben, in diese kalte, unwirtliche Welt entlassen zu werden.
    »Beim ersten Mal dauert es immer länger«, beruhigte Elena die Sarazenin. »Du musst dich nicht ängstigen.«
    Joana und Belinda halfen im Morgengrauen, die Decken zusammenzurollen und auf Elenas Packtier zu verstauen. Gemeinsam mit
Fraire
Aimar schafften sie es, die sich vor Schmerzen krümmende Munira in den Sattel zu heben, denn es ging weiter, und das Heer wartete nicht auf schwangere Weiber.
    Auch Arnauts Männer machten sich bereit. Er zurrte den Sattelgurt an seinem Wallach fest, verstaute Hamids Bogen am Sattel und hängte sich einen Köcher Pfeile um die Schultern.
    »Heute brauchen wir keine Lanzen«, sagte er zu Severin. »Kein Gelände für einen Reiterkampf. Sag den anderen Bescheid. Und sie sollen ihre Augen offen halten.« Dann wandte er sich an Jori. »Nimm dir eine Handvoll Männer und kümmere dich um unsere Verwundeten und Frauen. Die Sarazenin ist kurz vor der Niederkunft.«
    »Erwartest du einen Angriff?«
    »Wir müssen auf alles gefasst sein.«
    Die Königin, nach einer schlaflosen Nacht, saß müde und zerschlagen im Sattel, umgeben von ihrer persönlichen Leibwache. Sie

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