Die Hure: Roman (German Edition)
wilde Spiele, genau wie die Männer in ihrem Heimatland. Deshalb toben sie so oft.
Doch dann endet die sinnlose Gewalt völlig überraschend. Nono rennt mit einem Baseballschläger aus dem Hotel auf die Straße. Dort schlägt ihr nur widerlich schwüle, stickige Luft entgegen. Die griechischen Sommer sind unberechenbar und ziemlich schrecklich, seit Demeter, die ewigen Winter ausgerufen hatte, in die Irrenanstalt gesteckt wurde. Das ist doch nicht mein Fehler, denkt Nono und streicht über ihre nassen Haare.
»Wo sind die ganzen Leute?«, fragt sie einen Gemüsehändler, der an der leeren Straße steht. Er zeigt auf ein Plakat an der gekalkten Hauswand. »Der Zirkus kommt in die Stadt«, liest Nono.
Von diesem Tag an reden die Leute im Fernsehen, in den Zeitungen und auf den Agoren nur vom Zirkus. Und vor allem von seiner strahlenden, supersexy Direktorin.
Eines Morgens wird Nono vom Schreien und Kreischen der Menschen geweckt. »Es ist Krieg!«, jubelt sie und läuft auf den Balkon. Doch niemand scheint zu kämpfen. Anstelle von Waffen tragen die Menschen Plakate mit aufgemalten Herzen und den Worten WE LOVE YOU, WE NEED YOU .
Nonos Hotel gegenüber steht ein schöneres und höheres Hotel. Die Leute lassen den obersten Balkon nicht aus den Augen. Rhythmisch rufen sie einen Namen.
Endlich betritt eine schillernde, in Gold und Kupfer glänzende Frau den Balkon. Ein Raunen geht durch die Menge: Seufzer, Aufschreie, Liebesbekenntnisse. Die Frau sieht aus wie eine Skulptur. Sie stützt sich auf das Geländer und betrachtet das Menschenmeer zu ihren Füßen. Dann erklingt Musik. Die Frau wirkt gefährlich und sexy. Sie hebt die Arme und lässt die Hüften kreisen. Sie tanzt, und jede ihrer Bewegungen ist perfekt.
Nono hat noch nie etwas so Gelungenes gesehen. Tränen strömen ihr aus den Augen. Die Frau kehrt in ihr Zimmer zurück, und die Menschen zerstreuen sich, aber Nono steht noch lange da. Sie ist verzaubert. Erst am Nachmittag kommt sie wieder zu sich und geht zurück in ihr Zimmer. Sie betrachtet ihr Spiegelbild in der Messerklinge. Dann geht sie hinunter auf die Straße, sucht einen Frisiersalon und bittet die Friseuse, ihre schwarzen Haare so blond zu färben wie die der strahlenden Zirkusfrau.
Adam ist ein passiv-aggressiver Alkoholiker. Doch sein Banausentum wird durch sein Aussehen kompensiert: Er ist auf primitive Weise attraktiv. Die Frauen verknallen sich schnell in ihn, sie glauben, sie könnten ihn durch ihre Liebe zu einem anständigen Menschen machen. Da irren sie sich.
»Ich bin Gottes Sohn. Örrörrö. Also fast Gott selbst«, prahlt Adam vor Dionysos im Darts Pub. »Ich bin sein wahrer Sohn rörrörrör …« Er greift nach seinem Glas und lässt die Hälfte des Biers über seine nackte Brust laufen.
»Besser auf der Erde als im Mund eines Gottlosen«, sagt irgendwer. Adam braust auf. »Nennst du mich gottlos? Ich sage dir, du sollst den Namen des Herrn nicht grundlos in meinen … deinen … in den Mund nehmen.«
»Adam, hör auf, dich mit den Wänden zu streiten«, mahnt Dionysos seinen einzigen Gast.
»Du schmeißt mich nicht raus, rörrör … Du bist so ein rörrör … Du traust dich nicht an mich ran. Ich bin der Sohn des Vaters. Rörrör. Der lässt den Blitz in deine Bar fahren, wenn du gemein zu mir bist!«
Dionysos sagt leise: »Whatever«, und spült die Gläser. Er ist nicht sehr sorgsam. Das sind seine Kunden auch nicht.
»Ich will hier drinnen rauchen!«, ruft Adam. »Warum darf ich hier nicht rauchen, hä?« Dionysos antwortet, Adam rauche doch gar nicht. »Erssähl du mir nicht, was ich tu, rörrör …«
Im Fernsehen beginnt eine Nachrichtensendung. »Schalt sofort zurück zum Spiel!«, brüllt Adam und schüttelt die Fäuste. Dionysos sagt, das Spiel sei wegen einer Sondermeldung unterbrochen worden. Adam steht auf und kippt den Tisch um. Das Feigenblatt vor seinem Geschlechtsteil fällt zu Boden. Adam hebt es auf und klatscht es wieder auf sein Gemächt. Und siehe! Es hält ganz von selbst.
In den Nachrichten geht es um den Sturz des Patriarchats. »Was zum rörrörröö?« Der Reporter interviewt eine blonde Frau, die mit ihren weißen Zähnen strahlend lächelt. »Gott ist tot. Ich habe ihn sozusagen getötet«, gurrt die Frau.
» HUURE!!! «, brüllt Adam. »Wer ist diese Hure?«
»Das ist Aphrodite. Erkennst du sie nicht?«, meint Dionysos und stellt den Ton lauter.
»Hure. Wer ist die Huure?!«, wiederholt Adam.
»Du hast sie bestimmt schon mal gesehen.
Weitere Kostenlose Bücher