Die Hure: Roman (German Edition)
Mann gegen Mann kämpfte; Fleisch stieß auf Eisen, und die Uniform wurde vom Blut des Feindes durchtränkt. Diesen Krieg der Individuen vermisse ich. Leibliche Begegnungen. Leidenschaft, Haut, die man durchbohrt und zerreißt.
Bei den Kämpfen heutzutage treffen sich nicht einmal die Blicke des Tötenden und des zu Tötenden.
Die können mich nicht einmal sehen.
Moderne Kriegsführung ist vor allem Warten. Und sie mag nicht mehr warten.
»Ich will, dass man mich sieht«, sagt sie laut. Die Hunde spitzen die Ohren. Es sind die größten Hunde, die sie finden konnte. Hunde müssen groß sein. Vorzugsweise unnatürlich groß. Irgendwer hat ihr gesagt, große Hunde seien krank und würden früh sterben. Dann schaffe ich mir neue an, hat sie erwidert.
»Ich muss hier raus.«
Die Hunde springen vom Bett. Vielleicht könnte ich Erwerbsunfähigkeitsrente beantragen. Das tun die jungen Frauen doch heutzutage. Wenn ich meinem Vater und überhaupt allen sagen würde, dass ich deprimiert bin und in meiner sogenannten Arbeit keinen Sinn mehr sehe? Nono lacht laut. Sie ist kein schwaches Stück Scheiße. In Rente geht sie nicht. Aber sie wird ihren Vater um Versetzung bitten. Sie wird ihm sagen, dass sie den Frieden am besten mit dem Schwert verteidigen kann.
Nono hat ihren Vater lange nicht gesehen. Er fühlt sich in unfruchtbaren Sandwüsten am wohlsten. Er mag Wärme.
Mit dem Motorrad fährt Nono zum Militärstützpunkt. Genau das ärgert sie: Die Kerle führen so distanziert Krieg, dass sie riesige Gebäude und Verwaltungszentren errichten müssen. Solche Dinger baut man für die Bürokratie, nicht für den Kampf.
Das mit dem Sternenbanner geschmückte Tor wird geöffnet, alle wissen, wer sie ist. Nono mustert die Soldaten. Ihre Uniformen lassen keinen Streifen Haut frei. Von den Gesichtern ist gerade so viel zu sehen, dass man erkennen kann, ob es sich um Schwarze, Weiße, Beige, Latinos oder Asiaten handelt.
»Was liegt an?«, wird sie gefragt.
»Ich will zu meinem Vater«, antwortet Nono.
»Ist ein Treffen vereinbart?«
»Nein. Es ist nichts vereinbart.«
»Dann musst du warten.«
Das hat sie gelernt.
Eine Baracke mitten in der Wüste ist schweißtreibend, vor allem, wenn man schwarzes Latex trägt. Nono setzt sich auf einen Klappstuhl. Ein Trupp Soldaten kommt vorbei. Sie lachen. Nono hört sie sagen: »Freaky bitch«. Sie senkt den Blick, verbirgt ihr Gesicht hinter den dunklen Haaren. Sekundenlang wünscht sie sich, so sein zu können wie alle anderen.
Nono weiß, dass sie lange warten muss. Sie denkt an ihren Geliebten. An den verdammten Kotzbrocken.
Nonos Liebesgeschichte
Der Mann war älter und erschreckend größer als sie. Er hatte herrliche eisgraue Augen, schmutzig blonde Haare und rötliche Bartstoppeln. So prachtvolle Männer findet man nur im Norden.
Odin. Schneidende Lust durchzuckt Nonos Herz. Der Mann hieß Odin. Besser gesagt, so heißt er sicher immer noch, denn er ist nicht tot. »Aber für mich ist er gestorben«, flüstert Nono vor sich hin. Für mich bist du tot.
Odin rief sie zum Kampf. Nono kam und tötete alle. Doch Odin ließ sich nicht blicken. Mit bluttriefendem Bajonett, in das Fleisch ihrer Gegner gekleidet, stand Nono inmitten der Leichen und wartete.
Endlich, als die Bomben den Nachthimmel erhellten, sah sie den Mann am Horizont. Odin ritt auf seinem achtbeinigen Pferd auf sie zu, zwei zahme Wölfe neben sich.
»Ich habe deine Bitte erfüllt. Bist du jetzt befriedigt?«, fragte Nono.
»Noch nicht«, antwortete Odin mit satanischem Lächeln. Er riss Nono in seine Arme und aß ihr die Kleider vom Leib.
In einem Fjell-Hotel hatten sie acht Tage und neun Nächte leidenschaftlichen, fast krankhaften Sex. »Ich habe mich in dich verliebt«, sagte Nono am letzten Morgen nach der letzten Nacht.
Odin nahm sie hoch und trug sie auf den großen Balkon. Der kalte Nordwind fuhr durch ihren dünnen Babydoll. Der Mann hielt sie über das Geländer und fragte, ob sie ihm vertraue. Natürlich, antwortete Nono. Da lachte Odin und ließ sie fallen.
Nono lag zwischen kalten Felsen auf dem gefrorenen Boden und spürte ihren Unterleib nicht mehr. Erst in der Morgendämmerung fand sie die Kraft, den Hügel hinauf und in die Hotelrezeption zu kriechen, wo Hilfe herbeitelefoniert wurde.
»Soldatinnen mangelt es einfach an beruflichem Können«, sagte ihr Vater, als er sie im Feldlazarett besuchte. »Eine Soldatin wiegt vielleicht ein Viertel eines männlichen Soldaten auf. Aber es steht
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