Die Hure: Roman (German Edition)
Blicks zu sehen ist. Aphrodite merkt, dass die strenge Miene nur durch das Gesicht erzeugt wird, nicht durch die Augen: Persephones Augen sind völlig leblos. Adonis blickt träge in die Richtung, aus der das Geräusch kam, sieht aber nichts.
Tatsache ist, dass Adonis einen Plastikpenis umgeschnallt hat. Und der ist, nebenbei bemerkt, größer als der, den Aphrodite während ihrer glücklichen gemeinsamen Woche spüren durfte. Andererseits: Die Liebeskünste dieses Mannes wären stärker beeinträchtigt worden, wenn man ihm die Hände abgehackt hätte. Herrliche Hände, mmm … Aphrodite wickelt eine Haarsträhne um den Finger und lächelt. Ares hat wirklich nichts begriffen.
»Was macht mein Frauchen denn da?«
Erneut muss Aphrodite feststellen, dass die Toten sich wirklich geräuschlos bewegen. Ihr Ehemann hat sich ganz und gar unbemerkt hinter sie geschlichen. Er sieht nach nichts aus. Ein Niemand. Selbst wenn man ihn noch so lange anschauen würde, würde man sich nach ein paar Minuten nicht mehr an sein Gesicht erinnern. Es lohnt sich also nicht, auch nur ein Wort über sein Aussehen zu verlieren, mir ist es bereits entfallen.
»Nichts«, antwortet Aphrodite leichthin.
»Irgendetwas Außergewöhnliches hast du doch getrieben.«
»Sprich nicht so laut, Sklave.«
»Ich bin das Familienoberhaupt und dein geistiger Führer, denn ich habe einen Penis.«
Der Mann hat absolut keinen Sinn für Humor.
»Du hast einen Penis, also bist du mein Sklave.« Aphrodite lächelt gewinnend.
»Ich bin dir nicht böse. Ich möchte lediglich, dass du deine Persönlichkeit verlierst«, antwortet der Ehemann.
Ätzend, diese Humorlosigkeit!
»Ich habe mir den Nachbarn angesehen.«
»Wenn du so etwas sagst, muss ich anfangen, dich regelmäßig zu verprügeln.«
Aphrodite verzichtet auf einen Kommentar. Sie setzt sich auf die Terrasse und zieht ihre hellgrüne Strickjacke enger um sich. Über den Brüsten lässt sich die Jacke nicht schließen, was nur gut ist, denn ihr Busen soll zu sehen sein.
Der Ehemann tritt zu ihr und klopft ihr auf den Scheitel. »Sei nicht traurig, du hast eine ganze Ewigkeit, um zu lernen, wie ein Weibchen sich zu benehmen hat. Aber denk daran, dass ich dich gewarnt habe.«
Im Tod steht die Respektierung der Traditionen im Mittelpunkt, denn dort ist es nicht mehr möglich, sich etwas Neues auszudenken. Also lädt man Bekannte zum Essen ein und zeigt ihnen Urlaubsfotos oder so etwas.
Aphrodite und ihr Mann haben Aphrodites Führerin und deren Gatten eingeladen.
»Wer zum Teufel seid ihr?«, fragt Aphrodite, als die Gäste eintreffen.
»Ahahaha«, lacht die Führerin und küsst sie auf beide Wangen.
Sie hat eine Perücke aufgesetzt und trägt ein ähnliches Kleid wie Aphrodite.
»Dies ist mein lieber Ehemann«, sie weist neben sich.
Der Mann hat keinerlei besondere Merkmale. Wie in Schwarz-Weiß-Filmen, stellt Aphrodite fest. Alle Männer sehen gleich aus. Die Führerin flüstert Aphrodite ins Ohr, so sei der Tod, im Leben habe sie gar nichts für Männer übriggehabt, doch jetzt habe sie sich an die ehelichen Verrichtungen gewöhnen müssen. Und man gewöhne sich tatsächlich daran. Man gewöhnt sich an alles, wenn es sein muss. Aphrodite fragt, ob auch das Teil der Strafe sei. Die Führerin antwortet, nein, es sei nur ein Ausgleich: Wenn man auf die eine Weise lebt, stirbt man auf die andere.
»Jetzt spielen wir ein lustiges Gesellschaftsspiel«, erklärt Aphrodites Mann.
»Wollen wir uns nicht lieber tierisch besaufen?«, schlägt Aphrodite vor.
Alle sehen sie an, auch die beiden Kinder, die auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzen. Sie haben die angenehme Eigenschaft, sich kaum bemerkbar zu machen. Der Mann zieht Aphrodite ins Schlafzimmer und ohrfeigt sie so kräftig, dass sie hinfällt.
»Du bist schon einmal gewarnt worden«, schnauft er. »Wenn du mir noch ein einziges Mal Schande machst, muss ich dir sämtliche Knochen im Gesicht zerschlagen.«
Also spielen sie ein lustiges Gesellschaftsspiel. Die Regeln schreiben vor, dass nur Männer die richtigen Antworten geben dürfen. Aphrodite und die Führerin müssen schweigen oder absolut lächerliche, dumme und falsche Antworten bieten. Mitten im Spiel steht Aphrodite auf und sagt, es tue ihr sehr leid, aber sie müsse den Kuchen in den Ofen schieben. Sie bittet die Führerin mitzukommen, denn mit der Aufgabe, einen Kuchen in den Ofen zu schieben, sei eine einzelne Frau überfordert.
»Scheißverdammtekacke«, flucht Aphrodite in der
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