Die Hure: Roman (German Edition)
Küche. Sie schaltet die Mikrowelle ein, damit ihre Worte im Wohnzimmer nicht zu hören sind. Die Führerin nimmt die Perücke ab, das Ding sei verflucht schweißtreibend, erklärt sie.
»Wie kommt man hier raus?!«
»Glaubst du, dass du im Leben vermisst wirst?«
»Natürlich.«
»So sehr, dass man dich zurückwünscht?«
»Natürlich …«
»Von wem?«
Aphrodite überlegt. Na, mindestens von dem und dem und dem. Also, eigentlich auch von vielen anderen, aber ihr fallen die Namen gerade nicht ein.
»Es reicht natürlich nicht, vermisst zu werden.«
»Das reicht nicht?«
»Wenn man deinen Tod als wichtig und bedeutsam empfindet, bleibst du leider hier. So ist es mir auch ergangen. Man muss eben versuchen, den Aufenthalt hier sinnvoll zu gestalten.«
Aphrodite schaltet die Mikrowelle aus. Pim! Es ist ein altmodisches Gerät. Sie legt eine Handvoll Gabeln hinein und schaltet es wieder an. Verschwörerisch lächelnd setzt die Führerin ihre Perücke auf und dreht den Gasherd an.
Sie verlassen das Haus in dem Moment, als die Küche und gleich darauf die ganze Wohnung in Flammen aufgehen.
»Glaubst du, dass sie da rauskommen?«, fragt Aphrodite im Garten. Oder nein, sie fragt nicht, es klingt eher wie ein Witz. Sie kichert und wirft ihr Haar zurück.
»An sich sind sie ja schon tot.«
»Also kann ihnen nichts wirklich Schreckliches mehr passieren.«
Persephone sieht die Flammen von ihrem Fenster aus und stürmt so schnell nach draußen, wie es sich für eine feine Dame so eben noch schickt. Adonis steht träge an der Haustür. Er hat einen seidenen Morgenmantel an.
Dann
Er sieht Aphrodite an! Aphrodite sieht ihn an! Ihre Augen füllen sich mit Liebe. In ihren Blicken wogen die türkisen Wellen des Mittelmeers und schimmern die Nächte und Tage, in denen sie zu einem Fleisch verschmolzen, zu einem verschwitzten, stöhnenden Tier.
Persephone schlägt mit der Hand auf die Wellen, und sie schwappen auf die Erde, sind nur noch eine alberne, schlammige Pfütze. Sie befiehlt Adonis, nach drinnen zu gehen, »damit du dich nicht verkühlst«.
»Aber das Feuer?«, fragt Adonis.
Persephone wirft mit dem Feuerlöscher nach ihrem Freund, der folgsam ins Haus schlüpft.
»Wo ist dein Mann?«, fragt sie Aphrodite.
»Leider da drinnen.« Das Haus brennt lichterloh, im Innern heulen die verlorenen Seelen. »Wie tragisch«, seufzt Aphrodite.
Die Führerin fragt Persephone, ob den Männern denn etwas passieren könne: Sie sind doch schon tot. Barsch stellt Persephone den Sachverhalt richtig. Die Männer sind nicht tot, denn sie haben nie gelebt. Sie sind eine Art programmierte Dämonen oder wie man sie nun nennen will. »Manche halten sie für Engel, andere für Humanoiden.«
»Ihr bekommt neue«, verspricht Persephone.
»Bis dahin sollte die Göttin wohl bei mir wohnen. Schließlich bin ich ihre Führerin.«
Persephone verzieht den Mund, erhebt jedoch keine Einwände. Sie hat die Angewohnheit, ihre Feindinnen in der Nähe zu halten, aber eigentlich erscheint es ihr nicht mehr wirklich wünschenswert, Aphrodite als Nachbarin zu haben.
Als die beiden Frauen gegangen sind, füllt Persephone ihre Lungen mit einer Unmenge Luft und bläst sie als arktischen Wind in das Flammenmeer. Das Feuer erlischt, nur eine schwarze, von Eiskristallen überzogene Ruine bleibt zurück. Persephone wirft einen Blick auf die erleuchteten Fenster ihres Hauses und wischt sich mit einem bestickten Taschentuch einen Eiszapfen aus dem Mundwinkel.
Aphrodite zieht bei der stoppelhaarigen Knabemannmädchenfrau ein. Und sie laufen tagelang nur im Slip im Haus herum, denn die Kleider zwicken einfach entsetzlich und sind unnatürlich schwer.
Es waren einmal, vor langer, langer Zeit, eine Zweierbeziehung und der Plan, zusammenzuziehen. Diesen Plan schmiedeten Aphrodite und der stattliche Kriegsgott. Und er schloss einen dritten Beteiligten mit ein, der jedoch an dem bewussten Tag noch gar nicht existierte, sondern erst am Ende des Tages.
»Wir bekommen ein Baby«, sagte Aphrodite. Und Ares stemmte sie auf seinen bemerkenswert muskulösen Armen hoch. Aphrodite kicherte und schlang ihre goldbraunen Beine um seinen Leib.
Doch dann geschah etwas Unerwartetes.
Ares joggte jeden Morgen zehn Kilometer, immer exakt dieselbe Runde. Und er ahnte nicht, dass vom Fenster eines hohen Hauses und später vom üppigen Garten des Hauses und schließlich vom Kirschgarten am Wegrand aus ihn schon seit Langem ein dunkles Augenpaar beobachtete, dessen Besitzerin
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