Die Hure: Roman (German Edition)
können.
»Wir erklären dem Patriarchat den Krieg«, sagt die Riesen-Kalla im Fernsehen.
»Warum denn bloß?«, fragt der Interviewer.
» DARUM! «, ruft Kalla und wirft den Mann allein durch die Lautstärke um. Der Reporter ist auf das Dach eines achtundzwanzigstöckigen Hochhauses gestiegen, um die verdammt langbeinige Anführerin der als Furcht der Knaben und Schrecken der Männer bezeichneten Armee zu interviewen.
»Wie willst du das Patriarchat denn finden?«, fragt er.
»Du hast sicher bemerkt, dass ich ziemlich weit gucken kann, du Idiot«, entgegnet Kalla.
»Ja. Aber wie steht es mit der Nahsicht?«
»Was zur Fotze meinst du damit?« Kalla legt das Kinn auf das Hausdach, und der Reporter weiß nicht, was er tun soll. Er verlegt sich auf Schmeicheleien, die wirken bei Frauen meistens: »Du hast … riesig große Zähne.«
Kalla packt den Mann und steckt ihn in den Mund wie eine Krabbe. Die Fernsehkameras laufen weiter. Nachdem sie den Bissen hinuntergeschluckt hat, blickt die Riesen-Kalla in die Kamera, ohne zu lächeln. »Dies ist keine Manöverübung«, erklärt sie. »Wir werden das Patriarchat und alle, die mit ihm sympathisieren, vernichten. Ihr seid entweder auf unserer Seite oder gegen uns.«
Kalla hängt sich das Sturmgewehr über die Schulter. Dabei zertrümmert die Waffe die obersten Etagen des Wolkenkratzers. »Oho«, sagt sie.
In Wahrheit haben sie keine Ahnung, wo sich das Patriarchat befindet. Also rufen sie Isis an und vereinbaren ein Treffen.
Sie treffen sich in Isis’ Heimat. Früher flossen dort zwei große Ströme, doch inzwischen ist da nur noch Wüstenland. Für Frauen, die so groß sind wie Isis und die Kalla-Soldatinnen, ist die Sandwüste nur ein Spielplatz.
»Ich will den Kerl kriegen«, erklärt Kalla.
»Was willst du mit ihm machen?«
»Ihn vernichten.«
Isis lacht auf. »Der Kerl ist bloß ein Repräsentant, völlig austauschbar.«
»Ich dachte, er ist Gott«, sagt Kalla.
»Gott ist nur ein Allgemeinbegriff, der hat nichts zu bedeuten.«
»Zur Fotze noch mal, ich hab es satt. Ich will Rache!«, schreit Kalla und stampft so heftig auf, dass eine Sandwolke ganz Kairo bedeckt.
»Ich erzähl dir mal was über den Komplex, den du suchst.«
Die Geschichte des Patriarchats, gemäß I sis
Es entstand, als die Menschen dazu übergingen, Landwirtschaft zu betreiben und Sachen zu besitzen. Ungefähr vor sechs-, sieben-, acht- oder sogar zehntausend Jahren. Die Männer sagten zu den Frauen, so ist es jetzt, und ihr müsst gehorchen. Ganz am Anfang lachten die Frauen darüber, doch dann kamen die Männer auf die Idee, den attraktivsten Burschen einzusetzen, um den Mädchen ein paar Fakten klarzumachen.
Die Männer erfanden das Patriarchat. Die Frauen glaubten daran und pflegten es.
Nur irgendwann stellte irgendwer das System ein bisschen infrage. Wollte den sehen, der die Regeln erfunden hatte. Weil die Typen aber längst gestorben waren, musste man jemanden erschaffen, der die Macht hatte, Regeln aufzustellen und umzustoßen. Eine unangreifbare Autorität.
Ein Kerl, ich habe seinen Namen vergessen, wurde in die Berge geschickt. Da hockte er ganz allein, bis er Gott erfand. Dieser Gott war ein total kranker Typ. Er jagte sogar der Göttin Manat Angst ein, und Manat ist nicht so leicht zu erschrecken.
Diesen Gott gibt es immer noch, er wohnt irgendwo hier im Nahen Osten, sieht ungepflegt aus und stinkt nach Kamelmist. Aber es ist nicht der, den du gesehen hast.
Irgendwann begriffen die Menschen nämlich, dass sie doch keinen verrückten Gott wollten. Sie erfanden einen neuen. Und dann wieder einen neuen. Inzwischen gibt es schon ziemlich viele neue. Es ist ein bisschen verwirrend, weil sie sich nicht die Mühe gemacht haben, ihnen anständige Namen zu geben. Sie nennen sie alle Gott, behaupten aber, es gäbe nur einen.
Na ja, ich bin vom Thema abgekommen. Gott oder alle Götter zusammen spielen keine Rolle mehr. Vor zweihundert Jahren hättest du vielleicht noch zu einem Typen marschieren, ihn umbringen und sagen können, du hättest das Patriarchat vernichtet. Es wurde komplizierter, als Telegraf, Telefon, Fernsehen und Internet erfunden wurden. Das Patriarchat verbreitete sich in einheitlicher Gestalt in der ganzen Welt; es schwoll an wie … na, du weißt schon.
Jetzt ist es überall. Es ist wie ein Betriebssystem. Es steckt sogar in deinem Kopf.
»Es interessiert mich nicht, was es ist. Mich interessiert nur, wie ich es zerstören kann«, sagt Kalla.
»Das
Weitere Kostenlose Bücher