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Die Hure und der Henker

Die Hure und der Henker

Titel: Die Hure und der Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Arlt
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ähnlich wie die
Immatrikulation gedacht hatte, mit geringerer Teilnehmerzahl vielleicht, dem
Rat, der Geistlichkeit, den künftigen Kollegen, aber doch feierlich, mit einem
Eid. Jede Gilde, jede Zunft hatte einen. Selbst der Scharfrichter musste
schwören. Jedem Tuchknappen nahm man den Schwur ab, dass er »aus gutem
deutschen Geblüt und ehrlichen Herkommens« sei!
    Ihm aber,
nachdem er sich schon gewundert hatte, dass man ihn dazu ins Pfarrhaus
bestellte; ihm, der es verschlossen fand, wartete, davor auf und ab ging, dann
durch den Torweg, der offen war, auf den Hof, aber auch dort war das Haus
verschlossen, er ging von einem Fenster zum anderen, schirmte mit den Händen
das Gesicht seitlich ab, konnte trotzdem nichts im Innern erkennen; ihm, als er
es noch einmal mit Klopfen versuchte, wurde plötzlich die Tür aufgerissen und
keifend unterstellt, er wecke die Kinder. Die aufgeweckten Kleinen hängten sich
an die Röcke der Pfarrfrau. Sie lugten aus Türen, huschten den Flur entlang und
wurden von ihr wieder über das Haus verteilt: »Ab in die Betten! Ihr ab in die
Küche! Und du wieder ab nach oben!« Er musste fürchten, dass nicht nur die
Kinder mit einem Klaps auf den Hintern und »Ab!« irgendwohin, sondern auch er
ab nach Hause befördert werde. Da bog mit einer Mistkarre aus dem Torweg ihr
Mann um die Ecke.
    »Ihr seid
Valentin Klein?« Er stellte die Karre ab, zog die Schürze aus, wusch sich in
der Regentonne die Hände, und die Amtseinführung bestand dann in einer in
seiner Amtsstube abgehaltenen Belehrung des Inhalts, dass er, Valentin, als
Schulverwandter, wie seine Stellung offiziell heiße, da man ihn ja in der
Schule verwende, dass er als Schulverwandter sein Gehalt zwar von der Stadt
beziehe, er aber mit dem, was er lehre, ihm, dem Pfarrherrn, unterstellt sei.
Ferner, dass er der Jugend mit gutem Beispiel vorangehen müsse, also nicht
bunte oder geschlitzte Kleider zu tragen habe, sondern schwarze Röcke, denen
der Geistlichkeit gleich. Und dass er, der Pfarrherr, gebeten worden sei, ihn
zu Herrn Joachim Kober zu schicken.
    Auf diese
Weise war er dann zu der Ehre des Hochzeitsbitters gekommen, hatte er an der
Hochzeit teilgenommen, hatte er sie alle gesehen, morgens, vor Heinischens
Haus, zu dem sie nun unterwegs waren, Vyfken und er, im Gewühl nach dem
Jahrmarkt, dem Strom der auswärtsfahrenden Wagen.
    Dort, unter
dem Erker, hatte er sie alle gesehen, wie sie herumber schwantzen/mit
Hoffart und Finanzen, wie sie ihn musterten, wer war denn der; wie sie
dafür, dass er auf die Kurrendeknaben achtgab, ihm eine Münze zusteckten, die
er zurückwies, die sie ihm aufdrängten, um dann zu sagen: »Aber genommen hat er
es doch.«
    Ein
Scherenschleifer schob seinen Karren an ihnen vorbei. »Pass doch auf!«, schimpfte
Vyfken, denn er hatte ihren Korb gestreift, den sie besorgt musterte, er war
aber noch heil. Der Lärm hinter ihnen, Quieken, Lachen, Rufe – »Achtung! Pass
auf! Hier ist er!« –, kam von einem ausgebüxten Schwein, das man einfing.
    Sie kamen dem
Haus immer näher. Valentin konnte die neuen Fenster im Erker erkennen, die
blaue Hausinschrift auf dem gelb gestrichenen Balken schon lesen: »Du stehest
hier/ vor was dir gefällt…« Und dann stand er wirklich vor was ihm gefiel. Denn
außerordentlich hatte ihm, dass Heinisch auf ihn zukam, gefallen. Dass der
Mann, den sie alle kannten, beobachteten und belauerten, der Mann, der den
Prozess der Spiegelhagener Bauern gegen den Rat der Stadt Perleberg gewonnen
hatte und den der Stadt Freyenstein gegen die Vettern von Rohr, dass der
berühmte Bürgermeister David Heinisch, der Magister, zu dem sogar der Kurfürst
seine Zuflucht nahm, als es um den heiklen Prozess gegen die Mörder des
Dietrich von Quitzow auf Rühstädt ging – dass dieser Mann vor aller Augen den
ganzen großen Festsaal durchquerte und zu ihm an den Tisch kam.
    Sie waren
gleich da. Er verbarg seine Freude vor Vyfken. Die sah sicher mit anderen
Gefühlen als er die drachenköpfigen Radabweiser rechts und links von der
Einfahrt, die Bohlentür mit den blanken Beschlägen daneben, den Türklopfer in
Gestalt dreier Würfel.
    Verloren
ist ein’ Sach’ erst, wenn wir sie beenden, erinnerte sich Valentin seines in Leipzig verfassten Gedichtes.
    Doch
halten wir sie aus und halten wir fein still,
    So kann
des Höchsten Hand, wenn es der Höchste will,
    Auch Fall
verkehr’n in Flug und unser Unglück wenden.
    Auch Fall
verkehr’n in Flug! Genau! Das war es! Wenn in dieser

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