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Die Hure und der Henker

Die Hure und der Henker

Titel: Die Hure und der Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Arlt
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Stadt noch jemand sein
Unglück wenden konnte, dann Heinisch, und im Grunde hatte er das schon, indem
er ihm die Bibliotheksarbeit anbot, getan. Er, Valentin, würde fleißig sein. Er
würde zeigen, was in ihm steckte. Heinisch hatte Beziehungen, die zum Hof und
Gott weiß wohin reichten.
    Valentin, an
jenem Markttag damals, dachte an Heinisch. Er dachte nicht an Kober, mit dem er
zur Schule gegangen war, nicht an Judith, die er nur vom Sehen kannte. Er
dachte an Heinisch und dessen Möglichkeiten. Er stand vor der Tür, auf dem
Rücken die Kiepen, neben sich Vyfken, die schon mit der Faust klopfen wollte.
»Nicht doch«, hinderte Valentin sie. »Dafür ist doch dieses Ding da.« Er hob
den Türklopfer, die drei eisernen Würfel. Und dann waren die Würfel gefallen.

 
    4
     
     
     
    Judiths
Freude hielt sich in Grenzen, als sie die beiden vor der Tür stehen sah. Sie
war bei der schlesischen Elsbeth, als der Türklopfer dröhnte. Alles in Elsbeths
Stube war von Jahrmarktseinkäufen bedeckt. Zu den Schachteln, Körbchen und
Kästchen, aus denen Elsbeth Marzipan und kandierte Früchte kosten, eine Kette
bewundern, einen Armreif probieren und eine neue kleine Uhr belauschen musste,
die nicht nur ticken, sondern auch noch eine Melodie zirpen konnte, zu all den
Hauben, Kragen und Bändern auf Elsbeths Bett, Truhe, Hocker und Fensterbank
hatte Judith aus ihren Räumen auch noch ein paar Kleider geholt, deren
farblichen Zusammenklang mit den gekauften Neuigkeiten sie prüften, angetan von
dem blauen Kleid mit dem hellblauen Band, skeptisch, was das gelbe und die
weiße Haube betraf, entsetzt von dem rosa Band dazu, das ging ja nun gar nicht,
und den Kragen mit der breiteren Spitze sollte Judith lieber zu dem blauen
Kleid nehmen. Elsbeth hatte nach Judiths Anweisungen Bänder zu Rosetten
gebunden, »Weiter oben, Elsbeth, am Ellenbogen«, Hauben aufgesetzt, Tücher
umgelegt, eine Perlenkette mal so und mal so durch Judiths dunkles Haar
geschlungen, und wie das aussah, nee… Zu Elsbeths Zeit trug man Ketten am Hals,
nicht im Haar!
    »Nun hab ich
genug«, sagte Judith, als alles durchprobiert war. Das fand Elsbeth schon
lange, vor allem, was Judiths Kleidung betraf. Sie räumten Truhe und
Fensterbank leer, warfen alles aufs Bett. Judith suchte etwas zwischen den
Schachteln und Kästchen. »Nanu? Hier ist es ja doch nicht? Ich komme gleich
wieder!«
    Elsbeth
schüttelte den Kopf, denn wozu brauchte der Mensch, wenn sich alle
vierundzwanzig Stunden des Tages an einer ablesen ließen, noch eine zweite Uhr?
Wozu musste die zirpen? Wozu brauchte man silberne Riechkapseln, wenn die
Kräuter auch in ledernen rochen? Wozu beim Essen neuerdings Gabeln? Gabeln
waren zum Vorlegen da! Fürs Essen hatte der Herrgott dem Menschen eine Hand mit
fünf Fingern gegeben! Eine fünfzinkige natürliche Gabel! Und in diesem Haus
spießte man künftig das Fleisch vorm Kauen erst einmal auf! Nee, nee. Elsbeth
rollte Bänder auf, legte Kragen zusammen, stapelte Hauben auf Hauben. Da kam
Judith mit einem Trinkgefäß, einem irdenen Töpfchen, zurück.
    Es war etwas
kleiner als Elsbeths Hand. Es war braun und glasiert, braun und glänzend! Es
wurde sofort als Bunzlauer Braunzeug erkannt.
    Auf Elsbeths
Freude war Judith ja gefasst gewesen, darauf, dass sie nun gleich wieder
weinte, nicht. »Nee, doasde an miech do gedoacht hoast!« Elsbeth stammte zwar
aus dem niederschlesischen Goldberg, doch Bunzlau, wo allein auf der Welt man
diese »Tippel«, wie Elsbeth statt »Töpfchen« sagte, in ihrer warm braun
glänzenden Vollkommenheit richtig herzustellen verstand, war nicht weit von
Goldberg gelegen. »A Bunzeltippel! Wer hoat doas denn verkooft!« Judith musste berichten.
Von einem Ehepaar mittleren Alters, er etwas jünger als sie. Von dem Mann, der
Seifert heiße – »In Goldberg hat’s ooch Seiferts!«, rief Elsbeth begeistert –,
der Frau, die aus Gräflich Kunzendorf stamme, vor der Ehe habe sie Ulbrich
geheißen. Von Töpfen, Backformen, Backschüsseln, Schalen, Topfsieben,
Eierbechern, von Kannen, Gurken- und Heringstöpfen. »Und dann hatten sie noch
solche kleinen. Für Schmalz und Honig und Marmelade.«
    »Die heeßen
Krausen!«
    Und im
nächsten Herbst kämen sie wieder. Vorher seien sie in Perleberg, dann kämen sie
wieder nach Pritzwalk, und heute führen sie nach Havelberg weiter, wohin sie
jetzt wohl schon unterwegs seien.
    Elsbeth war
begierig auf Nachricht aus Schlesien. »Ich hätte dich geholt, Elsbeth, aber sie
waren ganz am Ende

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