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Die Hure und der Henker

Die Hure und der Henker

Titel: Die Hure und der Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Arlt
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der Reihe, und als wir hinkamen, hatten sie das meiste schon
eingepackt und bauten ihren Stand gerade ab.«
    Dass Kober,
um es gelinde zu sagen, etwas verwundert war, als sie die Topfhändler
auszufragen begann, sagte sie nicht.
    »Und das ist
auch für dich.«
    In einer großen flachen
Schachtel, die sie vorher beiseitegelegt hatte, präsentierte sie Elsbeth ein
Lebkuchenherz.
    »Und doas
weeß dein Mann ooch?«
    »Er hat es ja ausgesucht!«
    Die Fältchen
um Elsbeths Augenwinkel vermehrten sich. Auch Judith lächelte. Nun war es wohl
wieder gut.
    Denn nach
Judiths Hochzeit war nichts gut. Schon, als noch aufgeräumt wurde, war alles
seltsam und schwierig. Über Pritzwalk stand der Komet. Er war so hell, dass man
ihn auch im Mittagslicht sah. Wenn man ihr auch nichts sagte, so wusste Judith
doch Bescheid. Die Leute, die im Rathaussaal leere Fässer rollten und leere
Tische schoben, die auf Leitern stiegen und die Embleme, Wappen und Girlanden
abnahmen, die Fenster kitteten und Stühle leimten und das herabgetropfte Wachs
von den Leuchtern kratzten, während man unten im Hof das zerbrochene
Rosenspalier wieder aufrichtete, in der Küche daneben die Pfannen, Töpfe und
Bratroste scheuerte und draußen auf dem Platz die Lachen von Erbrochenem mit
Sand bedeckte, brachten den Unstern mit ihr in Verbindung.
    Erst als sich herumsprach,
dass der Komet auch an anderen Orten zu sehen war, über Leipzig stand in
Gestalt eines Drachens, über Regensburg in Gestalt eines Schwerts, über Stettin
und Kiel als bläuliche Flamme, beschloss auch sie selbst, dass es nicht an ihr
liegen konnte.
    Aber dann
musste das Gefühl, dass sie, Judith, für Elsbeth offenbar nichts mehr richtig
machen konnte, dass, wann immer sie als Dritte dazukam, Ulla, die Magd, und
Elsbeth verstummten oder dass in der Küche, die sie nun, zugegeben, seltener
betrat, oft ein eisiges Schweigen herrschte, wo doch früher immer Gespräch und
Gelächter gewesen waren – dann musste das andere Ursachen haben.
    Außer
Pferden, für die der Stall vergrößert, und Wagen, für die eine neue Remise
gebaut werden musste, hatte Kober auch noch Jenne, eine Köchin, mitgebracht. Zu
Jenne, einer Frau mehr breit als hoch, mit rundem Bauch, runden Brüsten und
rundem Gesicht, gehörte außer Anton, ihrem Mann, der meist nicht da war, weil
er Kober kutschierte, auch noch Robert, der jüngste Sohn der beiden. Robert, um
die zwanzig und äußerlich stattlich, war Kind geblieben in Verstand und Gemüt.
Freundlich, fleißig und gehorsam war er. Es war eine Freude, ihn bei der Arbeit
zu sehen. Dass er mit Pferden ganz besonders gut umzugehen verstand, war so
bekannt, dass man ihn manchmal holte. »Robert, es gibt Schwierigkeiten. Kannst
du mal kommen?« Staunend sah dann eine Menschentraube, wie Robert nickend und
mit mahlenden Kiefern langsam auf irgendeinen aufsässigen Gaul zuging, was
dauerte, denn er ging ganz langsam, blieb auch oft dabei stehen, aber am Ende
tat der Gaul, was man wollte. Dann nahm Robert strahlend ein Stück Wurst, ein
Stück Kuchen oder eine kleine Münze entgegen und wiederholte noch lange: »Feines
Pferd, feines Pferd, feines Pferd«, den ganzen Heimweg über, was niemanden
störte.
    Störend war
nur, galt sein Lob einer Frau. Bei Grüßen aus Frauenmund hielt er in jeglicher
Tätigkeit inne, sah leuchtenden Blicks der ihn Grüßenden nach, lallte: »Feine
Jungfer, feine Jungfer, feine Jungfer«, und gewann nur sehr mühsam seine
Fassung zurück.
    Ulla und
Elsbeth hielten es für harmlos, ihn so oft wie möglich zu grüßen, aber es
dauerte nicht lange, da beschwerte sich Jenne bei Judith. Wutentbrannt, Judith
hatte gerade zusammen mit einem Ratsdiener den Saal inspiziert, ihm die
Schlüssel ausgehändigt, eine Quittung bekommen und kam nun nach Hause, stand
Jenne im Torweg, sie musste auf Judith dort gewartet haben, und legte, hochrot
im Gesicht, auch gleich los.
    »Guten Tag,
Jenne«, unterbrach Judith streng.
    Aber darum
ging es ja! Von wegen guten Tag! Sie habe keinen guten Tag mehr, seit sie in
diesem Hause sei. So gehe das auf keinen Fall weiter. Das sehe sie sich nicht
mehr länger mit an. Sie habe die Nase voll. Das sage auch Anton, ihr Mann. Und
wenn Judith nichts unternehme, werde sie diese Schandtippe verklagen…
    »Welche Schandtippe denn?«
Judith lachte nicht. Sie ließ die Dielentür auf. »Nun komm erst mal rein.«
    Dieser
Aufforderung hätte es nicht bedurft, denn die schimpfende Jenne blieb ihr
ohnehin auf den Fersen. Sie gebe ja zu,

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