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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Gewühle zu folgen. Er hielt ihre Hand und zog sie hinter sich her, sich einen Weg durch schwarzgekleidete, betende und weinende Bürger bahnend. Endlich waren sie am Dom, gegenüber dem Baptisterium.
    »Willst du zur Krypta?«, fragte Angelina entsetzt.
    »Ja«, gab er leise zurück, drehte sich um und schaute sie an.
    »Warum bist du so erschrocken?«
    »Weil ich heute Nacht davon geträumt habe«, sagte sie mit einem Zittern in der Stimme. »Und«, sie schlug sich an die Stirn, »ich habe Botticelli davon erzählt.«
    »Du bist hellsichtig, aber auch leichtfertig«, sagte er und zog sie hinter sich her, auf die Seite des Doms, die Stufen zur Krypta hinunter. Francesco fasste nach dem Griff der Tür; sie ließ sich jedoch nicht öffnen. Er rüttelte verzweifelt daran.
    »Sonst war die Krypta immer offen«, sagte er.
    »Lassen wir es doch so, wie es ist«, meinte Angelina.
    »Aber ich will dir beweisen, dass ich das Bild vor den«, er schaute sich vorsichtig um, »
Fanciulli
in Sicherheit gebracht und nicht an einen Wollhändler verkauft habe.«
    »Ich glaube dir auch so.«
    »Nein, du glaubst mir nicht, ich sehe es an deinen Augen. Du denkst, dass ich dringend Geld gebraucht und es deswegen veräußert habe. Ich werde zum Mesner gehen und mir den Schlüssel besorgen.«
    »Wie willst du denn das begründen, in einer solchen Nacht?«
    Francesco überlegte einen Augenblick lang.
    »Ich werde sagen, ich wüsste, dass in der Krypta ein sündiger Gegenstand versteckt sei.«
    »Und wenn er wissen will, woher du das weißt?«
    Das Gemurmel der Menge schwoll zu einem lauten Gebet. Savonarolas Stimme schwang sich darüber hinweg.
    »Dieser Teufel!«, knirschte Francesco.
    »Und wenn der Mesner mitkommen will?«, fragte Angelina. »Dann würde er das Bild doch sehen!«
    |320| »Ich werde mir schon etwas einfallen lassen. Warte hier, bis ich wieder zurück bin.«
    Er verließ den Außeneingang der Krypta und verschwand in der Menge. Angelina setzte sich auf eine der Stufen. Die dreifache Kleidung schützte sie vor der Kälte der Steine. Angelina wurde gewahr, dass die Männer auf dem Domplatz vorne standen, die Frauen hinten. An einigen Stellen hatten Jugendliche Strohpuppen entzündet und tanzten um sie herum. Die
Compagnacci,
die Söhne der Patrizier, warfen mit Steinen nach den Menschen, versuchten die Predigt Savonarolas durch Schreien und Trommeln zu stören. Eine Reihe von
Fanciulli
stand schützend vor dem Prior. Die Gebete und Gesänge wurden lauter. Inzwischen war es dämmerig geworden, ein feiner Sprühregen ging nieder. Angelina wickelte ihren Mantel fester um sich und starrte mit brennenden Augen auf das Schauspiel. Wenn Francesco doch endlich käme! Nach einer Weile, die ihr endlos erschien, tauchte er auf, einen Bartschlüssel in der einen, eine Fackel in der anderen Hand.
    »Wie hast du das erreicht?«, fragte Angelina.
    »Ich habe ihm gesagt, er brauche nicht mitzukommen, sonst würde er die Prozession zur Piazza della Signoria versäumen. Ich solle den Schlüssel unter einen losen Stein vor der Tür legen, hat er gesagt.«
    »Sehr vertrauensselig, der Mann«, sagte Angelina. Obwohl ihr hundeelend zumute war, stieg ihr ein glucksendes Lachen in den Hals. Francesco starrte sie befremdet an, brach dann aber ebenfalls in Lachen aus.
    »Ganz Florenz betet, und wir dringen in ihre heilige Krypta ein«, rief er leise. Das Rumoren auf dem Platz war so groß, dass niemand ihr Vorhaben bemerken würde. Francesco gab Angelina einen Kuss auf die Wange und steckte den Schlüssel ins Schloss. Er drehte sich knirschend herum, und die Tür ging auf. Drinnen war es dunkel, und es roch modrig. Die Fackel erhellte das Tonnengewölbe und die Sarkophage aus hellem Marmor. Francesco übergab Angelina die Fackel und begann, den Deckel von einem der Särge herabzuziehen. Er wirkte unruhig.
    |321| »Ich kann nichts sehen«, stellte er fest. »Gib mir doch die Fackel.« Angelina tat, wie ihr geheißen. Francesco leuchtete in den Sarg hinein.
    Beide beugten sich gespannt darüber.
    »Es ist weg!«, rief Francesco. »Wer in aller Welt könnte es gestohlen haben?«
    »Wahrscheinlich hat dich einer der
Fanciulli
beobachtet, als du es hierherbrachtest«, meinte Angelina und hielt sich die Nase zu.
    »Das ist möglich«, erwiderte Francesco kopfschüttelnd. »Oder Sandro Botticelli hat es geholt. Lass uns zum Scheiterhaufen gehen, vielleicht finden wir es bei den anderen Bildern.«
    Angelinas Herz klopfte stark. Das Bild durfte nicht

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