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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Fischen, und hörte die Grillen zirpen. Sieben Tode musst du erleiden, hatte Mutter Elisa gesagt. Drei der Menschen, die ihr nahestanden, waren schon gestorben. Wer würde der Nächste sein?
    Ihre Eltern, ihre Geschwister, Francesco, sie selbst? Oder gar Mutter Elisa? Angelina kniete auf der kalten Erde nieder und sprach ein Gebet für Eleonore. Sie richtete sich auf. Heute noch würde sie zu ihren Eltern gehen, jetzt gleich, und sie würde sich nicht davon abhalten lassen.
    Wieder stand sie vor dem Palazzo Girondo und betätigte den Klopfer. Eine Magd schaute zum Fenster heraus und fragte, was sie wolle.
    »Ich bin Angelina Girondo und möchte zu meinen Eltern und Geschwistern«, sagte Angelina mit einem flauen Gefühl in der Magengrube. Eine Zeit verging, bis sie Schritte hinter der Tür hörte. |330| Ihre Mutter stand im Rahmen. Sie sah genauso aus wie bei ihrem Besuch im Kloster Santa Corona, nur wirkten ihr Gesicht und ihre Gestalt verhärmter.
    »Angelina, du bist gekommen«, sagte Signora Girondo fassungslos. Sie knetete ihre Hände. Dann breitete sie die Arme aus und zog ihre Tochter an sich.
    »Wir haben dich so sehr vermisst, jeden Abend haben wir an dich gedacht und für dich gebetet!«, sagte sie. »Komm herein, du wirst uns allen eine große Freude bereiten.«
    Angelina stieg hinter ihrer Mutter die Treppe zum
Primer Piano
hinauf. Als sie oben angekommen waren, liefen ihr die Geschwister entgegen und umarmten sie stürmisch.
    »Angelina, wir haben dich so vermisst!«, rief Rodolfo aufgeregt. Er musste jetzt zehn Jahre alt sein. Und Clementina elf. Beide waren gewachsen und hübsch herausgeputzt, wie es sich für Söhne und Töchter der Gesellschaft gehörte.
    »Wir beachten Savonarolas Gebote nicht mehr so streng«, warf Signora Girondo wie entschuldigend ein. Signor Girondo, ihr Vater, kam Angelina entgegen.
    »Angelina, ich heiße dich willkommen in unserem Haus«, rief er und schloss sie in die Arme. »Ich wollte gerade in mein Kontor gehen und Rechnungen prüfen, da hörte ich die gute Nachricht, dass du gekommen bist.«
    Die Mägde und Knechte des Hauses waren ebenfalls versammelt und begrüßten Angelina ehrerbietig. Aus der Küche duftete es nach
Stracotto
. Bald saß Angelina im Kreise ihrer Familie am Tisch. Ihr Vater räusperte sich und legte seine Serviette neben den Teller.
    »Es ist nun ein Sommer ins Land gegangen, die Pest hat in unserer Stadt gewütet, aber uns zum Glück verschont, der Herbst ist vorbei und der Winter eingezogen. Und jetzt ist unsere verlorene Tochter heimgekommen!«
    In seinen Augenwinkeln glänzte es feucht.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte Clementina mit vollen Backen.
    »Man spricht nicht mit vollem Mund«, wies ihre Mutter sie zurecht.
    |331| »Oh ja, erzähle«, rief Rodolfo zwischen zwei Bissen.
    Angelina schluckte.
    »Ich war bei der Familie Scroffa auf dem Land«, sagte sie. »Wir sind vor der Pest an den Lago Trasimeno geflohen. Dort kam Matteo Scroffa durch Gift ums Leben.«
    »Wer hat das getan?«, fragte ihr Vater.
    »Ich weiß es nicht«, entgegnete Angelina. Die Geschwister lauschten mit offenem Mund.
    »Wir waren bei der Beerdigung von Gräfin Scroffa«, sagte ihre Mutter. »Und wir sahen, dass auch ihr Mann dort begraben liegt.«
    »Uns wurde allerdings erzählt, er sei bei einem Bootsunglück ums Leben gekommen«, schaltete sich ihr Vater ein.
    »Es wurde nie geklärt«, antwortete Angelina.
    »Und was war dann?«, wollte Clementina wissen. »War Francesco auch dabei?«
    Angelina sah, dass ihre Mutter zusammenzuckte.
    »Ja, er war dabei«, sagte sie. »Aber ich bin dann allein zu Tante Bergitta nach Arezzo gegangen.«
    »Die mit dem Weinberg und dem guten Essen?«, strahlte Rodolfo.
    »Ja, die. Sie hat mir sehr geholfen. Als ich nach Florenz zurückkam, wurde mir von Euch die Tür gewiesen.«
    Eine Stille entstand. Signora und Signor Girondo schauten verlegen vor sich hin. Eine Magd kam, um das Geschirr abzuräumen. Kurz darauf brachte sie den Nachtisch, eine Nusscreme. Angelina nahm all ihren Mut zusammen. Sie würde nicht von hier fortgehen, ohne sich mit ihren Eltern ausgesprochen zu haben.
    »Warum habt Ihr mich verstoßen, Herr Vater und Frau Mutter?«
    Ihr Vater war rot geworden. Er rührte mit seinem Löffel in der Nusscreme.
    »Du bist damals von zu Hause fortgelaufen, zu einem Maler, den du kaum kanntest. Aber wir hätten dich jederzeit wieder aufgenommen, schließlich bist du unsere Tochter, und wir lieben dich.«
    »Aber Signor Venduti sagte

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