Die Hure Und Der Moench
sich dabei Verbrennungen zugezogen.«
»Er liebt dich, Angelina.«
»Ich liebe ihn auch. Aber bevor ich mich für ihn entscheiden kann, muss ich einige Dinge herausfinden, das weiß ich jetzt. Was nachher mit meinen Eltern geschah, ist Euch ja bekannt.« Sie schüttelte den Kopf. »Wer ist dieser Mönch, der mich schon seit langem verfolgt und uns allen so viel angetan hat? Warum hat er es getan? Warum wollte er das Bild vernichten?«
»Gottes Ratschluss ist unergründlich, Angelina«, sagte Mutter |343| Elisa. »Kannst du diese Dinge nicht ruhen lassen und sie einfach so nehmen, wie sie sind?«
»Nein, das kann ich nicht, Mutter Elisa. Ihr wisst, wie sehr ich unter all dem gelitten habe, wie ich darüber krank geworden bin! Ich möchte mir von Euch einen Rat holen, wie ich weiter vorgehen soll.«
Mutter Elisa schaute aus dem Fenster, wie um sich zu sammeln. Nach einer Weile begann sie zu sprechen.
»Du weißt, dass mir das Wohlergehen meiner Schwestern immer sehr am Herzen liegt, Angelina. Ich hatte genug Zeit, über alles nachzudenken, worüber wir so lange gesprochen haben. Ich wollte die Wahrheit wissen. Deshalb habe ich in Fiesole herumgefragt, ob sich jemand an das damalige Ereignis erinnert. Und richtig, ich trieb einen jungen Mann auf, der dich in der Höhle entdeckt hatte. Damals war er noch ein Hirtenjunge. Er händigte mir eine Nadel aus, die er später auf dem Boden des Weinkellers gefunden hatte. Er dachte, es sei eine Haarnadel und sie hätte vielleicht dir gehört.«
»Habt Ihr diese Nadel bei Euch, Mutter Elisa?«, fragte Angelina beklommen.
»Ja«, sagte Mutter Elisa. Sie zog eine schwarz angelaufene, lange Nadel aus ihrem Beutel. Angelina wurde kreidebleich, sie wankte.
»Was ist mit dir, Angelina?«, wollte Mutter Elisa wissen. »Du siehst aus, als hättest du den Tod gesehen.«
»Werft diese Nadel weg, Mutter Elisa, ich flehe Euch an!«
»Nun beruhige dich, es ist eine Nadel, sonst nichts! Hat sie dir gehört?«
»Nein!«, rief Angelina gequält und machte Anstalten, Mutter Elisa die Nadel aus der Hand zu reißen.
»Wenn es dir so sehr zu schaffen macht …« Mutter Elisa ließ die Nadel in ihrem Beutel verschwinden. »Angelina, ich möchte dir nichts Falsches empfehlen. Wer weiß, was dir alles zustoßen könnte bei deiner Suche! Du bist schon bei deinen Eltern gewesen?«
»Ja, und ich habe ihnen endgültig verziehen, und sie haben mir verziehen.«
|344| »Das ist die beste Voraussetzung für dein weiteres Handeln«, sagte Mutter Elisa. »Ich rate dir, deinen Weg weiter und bis zum Ende zu gehen, was immer das auch bedeuten mag. Erschrecke nicht vor dem, was du findest! Du hast dich gegen den Schleier entschieden und für das weltliche Leben. Jetzt musst du dem Geheimnis deiner Kindheit auf den Grund kommen. Ich glaube inzwischen, dass du denen, die dir am nächsten sind, mehr durch deine Abwesenheit schadest als durch deine Nähe. Such dir weiter Verbündete und bleib mit ihnen verbunden! Überlege bei jedem Schritt, den du tust, ob er dich der Lösung des Geheimnisses näher bringt oder nur noch mehr ins Dunkle führt. Das ist alles, was ich dir mitgeben kann, Angelina. Hast du noch weitere Fragen an mich?«
»Vor dem Kloster San Marco sah ich einen Mönch, der demjenigen sehr ähnlich war, der mich einmal bedrohte. Kann ich es wagen, in dieses Kloster zu gehen und Nachforschungen anzustellen?«
»Wahrscheinlich gibt es keinen anderen Weg«, seufzte Mutter Elisa, »obwohl mir bei dem Gedanken daran kalt wird. Geh nicht allein dorthin.«
»So werde ich es machen, Mutter Elisa«, versprach Angelina. Die Äbtissin umarmte sie, gab ihr den Segen.
Während der Priester Domenian im Kloster San Marco stundenlang für seinen Herrn betete, hatte Savonarola sich den ganzen Tag zusammen mit dem Franziskaner Francesco di Puglia, seinen Mitbrüdern Silvestro und Domenico sowie anderen Mönchen der beiden Orden im Palazzo della Signoria aufgehalten.
In heftigen Gesprächen erörterten sie das Für und Wider dieser Feuerprobe. Die Franziskaner zeigten wenig Bereitschaft, die Probe mitzumachen. Dabei hatten sie, zusammen mit dem Papst, auf dieses ›Gottesurteil‹ hingearbeitet. Domenico da Pescia erklärte sich dazu bereit, für Savonarola durchs Feuer zu gehen. Ob Domenico sein eigenes Gewand tragen dürfe, gaben die Franziskaner zu bedenken, er könnte sie ja betrügen. Vielleicht hätte er Zauberzettel |345| darin versteckt. Und wenn er die Hostie trage, wäre es so, als würde
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