Die Hure Und Der Moench
Christus selbst verbrannt! Die Dominikaner hielten dagegen: Das Ereignis war angekündigt worden, bei der Stimmung in der Stadt wäre es gefährlich, es nicht durchzuführen. Nur langsam ließ sich Savonarola davon überzeugen, dass er sein Gesicht verlieren würde, wenn er sich dieser Herausforderung nicht stellte, und er begab sich auf den Platz.
Der Haufen aus Stroh, mit Öl begossen und mit Schießpulver versehen, befand sich mitten auf der Piazza della Signoria, von einer murrenden, sich drängenden und geifernden Menschenmenge umgeben, die fürchtete, um ihr Schauspiel betrogen zu werden. Immer wieder wurden Rufe laut: »Savonarola soll brennen! Schafft ihn herbei! Stürmt den Palazzo della Signoria!«
Ein Wind strich über den Platz, ließ die Gewänder der Menschen flattern und wirbelte trockene Blätter auf. Kinder heulten. Da fielen die ersten Regentropfen. Bald öffnete der Himmel seine Schleusen und goss sein Wasser wie mit Kübeln über die Wartenden. Flüche wurden laut, die Menge stob auseinander.
»Das ist ein Gottesurteil«, rief Savonarola entzückt. Hämisches Gelächter und wütende Schreie folgten seinen Worten.
»Du bist ein Feigling, wie ihn Florenz noch nie in seinen Mauern gehabt hat, Savonarola!«, schrie jemand mit überschnappender Stimme. »Deine Tage sind gezählt, wappne dich, Prior«, rief eine Frau, die ein Kleinkind in den Armen hielt. Die
Fanciulli
eilten ihrem Herrn nicht zu Hilfe. Sie waren in der Masse untergetaucht.
Ein Hagel von Steinen und faulem Obst flog gegen die Gruppe vor der Tür des Palazzo. Savonarola und die Mönche zogen sich ins Innere des Hauses zurück. Am Abend verkündete der Franziskaner der aufgebrachten Menge, dass das Spektakel nicht stattfinden würde. Gott habe den Regen geschickt als Zeichen seiner Barmherzigkeit. Wieder flogen Steine und andere Gegenstände.
»Der Mönch ist ein Feigling, ein Versager«, tönte es immer wieder. »Den werden wir uns holen!«
|346| Am Abend des 8. April, es war Palmsonntag, traf Angelina in Florenz ein, brachte ihren Zelter zu Botticelli und eilte durch die Gassen zu Rinaldos Turm. Die Menschen, die ihr begegneten, schienen in großer Aufregung zu sein. Was war geschehen? Hatte Savonarola die Feuerprobe bestanden? Doch das, was Angelina aufschnappte, ließ sie Schlimmes vermuten. Der Name Savonarolas wurde mit Schimpfworten bedacht, vereinzelt hörte sie, dass man am nächsten Tag das Kloster San Marco stürmen, den Prior herausholen und aufhängen wolle. Er habe die Stadt und ihre Bürger verraten. Im Turm wurde sie von Rinaldo, Gratiosa, Pallina und Verena empfangen. Aus der Küche mit dem kleinen gemauerten Herd kam ein verlockender Duft. Francesco trat aus seinem Zimmer, seine Kleidung war mit Farbe bedeckt. Er umarmte Angelina.
»Wie ist dein Gespräch mit Mutter Elisa verlaufen?«, wollte er wissen. »Ist deine Familie wohlauf?«
»Ja, das ist sie«, antwortete Angelina. »Und Mutter Elisa hat mir ihren Segen gegeben. Sie meint auch, dass ich meinen Weg weitergehen muss.«
»Aber das ist gefährlich!«, rief Francesco.
»Sie hat gesagt, ich solle nicht allein gehen. Und ich weiß, mit wem ich gehen möchte!«
Francesco drückte ihre Hand.
Pallina trug einen dampfenden Topf mit
Ribollita
herein. Diese Bohnen-Kohl-Suppe hatte sie zuletzt im Haus ihrer Eltern gegessen. Sie sei erst richtig gut, wenn sie wieder aufgekocht wird, hatte ihre Mutter gesagt, und wenn sie mit Grünkohl und Winterkohl und toskanischem Brot zubereitet wird. Sie setzten sich an den Tisch und schöpften Suppe in ihre Teller.
»Die Feuerprobe hat nicht stattgefunden«, berichtete Francesco Angelina.
»Wart ihr dort?«, fragte sie.
»Wir waren auf der Piazza«, antwortete Pallina. »Die Menge war sehr aufgeregt. Alle wollten sehen, wie die beiden
Frates
durchs |347| Feuer gingen. Aber dann kam ein Regenguss, und das Spektakel fiel buchstäblich in Wasser. Die Enttäuschung stand den Leuten ins Gesicht geschrieben.«
»Was glaubt ihr, was geschehen wird?«, fragte Angelina in die Runde.
Rinaldo wischte sich den Mund ab.
»Ich glaube, dass es das Todesurteil für Savonarola ist. Er hat so gut wie keine Anhänger mehr in der Stadt.«
»Dann hat es also ein Ende mit diesem Gottesstaat?«, folgerte Angelina.
»So sieht es aus«, meinte Francesco düster. »Ich frage mich, was aus Botticelli werden soll. Er hat keine Lebensgrundlage mehr.«
»Der wird sich schon irgendwie durchschlagen«, sagte Rinaldo. Eine Zeitlang aßen sie
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