Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
sie, so ruhig sie konnte.
Ein Raunen war zu hören, viele der Umstehenden bekreuzigten sich.
»Dann gehörst du wohl zu ihr?«, wollte der Carnifex wissen.
»Und wenn es so wäre? Was also hat diese Frau Furchtbares getan, dass Ihr sie so hart bestraft?« Herausfordernd stemmte sie ihre Hände in die Hüften, wusste aber schnell, dass ihr Aufbegehren böse Folgen haben würde, denn in diesem Moment erschienen zwei Büttel neben Lena und packten sie rechts und links am Arm.
»Ich kann dir sagen, was man ihr vorwirft«, sagte der eine und grinste spöttisch, als sie Lena zu Marie führten. »Sie hatte Hexensalbe bei sich, und das ist bei Strafe verboten.«
»Aber sie ist Heilerin und hat immer Salben oder Tränke. Warum muss nur alles immer mit dem Bösen zu tun haben?« Lena sah Marie an, die resigniert den Kopf sinken ließ.
»Hättest du dich nur herausgehalten, Kind«, flüsterte sie.
»Dafür ist es zu spät«, warf der Büttel ein. »Aber ich bin sicher, dass es den Leuten besser gefällt, wenn sie einen jungen Rücken zu sehen bekommen als den einer alten Frau.«
Der Büttel sah grinsend in einzelne Gesichter, dann wandte er sich an den Carnifex. »Binde sie los und nimm die hier. Für ihre gotteslästerlichen Worte fünf Hiebe, für ihre Aufsässigkeit noch mal fünf. Dafür, dass sie mich und andere ehrbare Bürger angesehen hat, weitere fünf. Außerdem wird sie zwei Tage und Nächte am Pranger verbringen.«
Lena straffte sich, obwohl ihr Mut sie in Anbetracht der Strafe kläglich zu verlassen drohte. Zeigen wollte sie es den Leuten aber nicht. Wenigstens wurde Marie jetzt in Ruhe gelassen, womit Lena erreicht hatte, was sie wollte, und das gab ihr auch in dieser Situation eine innere Genugtuung.
Marie wurde losgebunden und hielt sich erschöpft am Pranger fest. »Aber das Kind wollte nur helfen. Habt doch Erbarmen«, flehte sie den Büttel an.
»Schweig, oder ihr steht gleich beide am Pfahl«, antwortete dieser barsch. »Und nun sieh zu, dass du Land gewinnst.«
Zwei verhärmte Frauen nahmen sich Maries an, rafften ihre Kleider zusammen, bedeckten ihre Blöße damit und führten sie aus der Mitte.
Lena wurde indes an den Pranger gebunden, der Carnifex riss ihr das Kleid mit einem lauten Reißen bis zur Hüfte hinunter, prüfte seine Peitsche und maß den Abstand.
»Schade um die Titten«, rief ein Jüngling und erntete Gelächter.
Lena fing den entsetzten Blick von Kora auf, die sich nun in Richtung Hurenhaus davonstahl. Was würde wohl Frau Margarete zu dem zerfetzten Kleid sagen?
Als Lena den Pfiff der Peitsche hörte, hielt sie die Luft an. Der Knall und der Schmerz kamen gleichzeitig. Erschrocken schrie sie auf. Es schmerzte unglaublich. Ihre Haut musste aufgeplatzt sein wie die einer reifen Kirsche. Es brannte wie Feuer, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie wollte nicht weinen und biss sich auf die Lippe. Erneut sang die Peitsche. Lena schloss die Augen und hielt den Atem an. Der Schmerz war genauso heftig wie der erste. Wieder entfuhr ihr ein Schrei. Alles, nur nicht weinen. Sie atmete tief durch und versuchte, sich einen kühlen Fluss vorzustellen, der das Brennen linderte, und tatsächlich half es etwas. So stand sie Hieb um Hieb durch. Die Leute hatten inzwischen aufgehört zu lachen. Lena wollte nicht wissen, warum, und ließ die Augen geschlossen.
Als der Carnifex elf Schläge gezählt hatte, rief eine Frau aus der Menge: »Aufhören, es ist genug!« Andere taten es ihr gleich, und Lena öffnete verwundert die Augen, weil kein weiterer Schlag folgte. Sie erntete einige anerkennende Blicke von den Zuschauern. Ihr Peiniger blickte sich verwirrt um.
»Wieso soll ich aufhören? Eben wolltet ihr sie noch bluten sehen.«
»Aber sie hat genug einstecken müssen und sich tapferer gehalten als viele von euch Mannsbildern«, rief eine fette Matrone.
»Das ist doch …«, antwortete ein Mann in Handwerkstracht empört.
»Recht hat sie«, stand ein Straßenjunge der Frau bei.
In der Menge sah Lena Kora und Frau Margarete, deren Miene nichts Gutes verhieß.
Frau Margarete trat zu ihnen. »Wenn du weiter unsere Dienste in Anspruch nehmen willst, sieh zu, dass keine Narben bleiben«, flüsterte sie dem Carnifex zu. Damit drehte sie sich wieder um und ging zurück in die Menge, nicht jedoch ohne Lena mit einem finsteren Blick zu bedenken.
»Elf«, sagte der Carnifex entschieden, dann holte er aus und schlug wieder zu, doch seinem Hieb fehlte dieses Mal die Härte. Der nächste traf
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