Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
das Wasser aus der Rolle heraustropfte.
»Ich meine, sie sind doch so ein ungleiches Paar. Er könnte ihr Vater sein, und sie wirkt bissig und gelangweilt.«
»Lass das bloß niemanden hören.« Rosa rümpfte die Nase, weil ein Fischerboot dicht am Ufer vorbeikam und einen himmelschreienden Gestank nach sich zog. »Die Fische möchte ich nicht mehr essen müssen.«
Dann blickte sie Lena wieder an. »Du magst recht haben. Sobald männlicher Besuch in ihrem Alter kommt, lebt sie richtig auf, vor allem wenn er eine Uniform trägt. Und du wirst dich noch wundern, was in dieser Frau steckt.«
»Wie meinst du das?«
»Darüber darf niemand reden, aber lange brauchst du nicht zu warten, ehe du es selbst herausfindest.«
»Hm. Wieso hat sie ihn geheiratet?«
Rosa schnaufte verächtlich. »Wieso heiratet eine Frau einen Mann? Weil sie es muss. Weil sie einander versprochen sind oder, wie hier, wegen der Schulden ihrer Familie.«
»Sicher ein hartes Los.« Lena nahm sich ein Hemd vor, schrubbte es auf dem Stein, tauchte es ins Wasser, schrubbte es erneut und tauchte es wieder ein. Die Arbeit ging auf den Rücken und die Hände, aber es war ihr lieber, als sich Männern hingeben zu müssen. Sobald sie Veronika gefunden hatte, würde sie mit ihr irgendwo hingehen, wo sie niemand kannte, und als Magd arbeiten. Vielleicht würde Laurenz mit ihnen kommen.
Beim Gedanken an Laurenz und ihre Tochter überkam sie eine heftige Sehnsucht.
»Helene ist am längsten bei den Mindermanns, oder?«, fragte Lena, um sich abzulenken und nicht in Tränen auszubrechen.
Rosa nickte. »Vor ihr nimm dich in Acht. Sie ist in der Familie, seit der Ratsherr noch ein junger Mann war, und erzählt ihm alles.«
In den letzten Tagen hatte Lena den Ratsherrn und seine Frau nur flüchtig gesehen. Sie wusste nicht, wo und wie sie mit ihrer Nachforschung ansetzen sollte, also konnte sie nur versuchen, die anderen Bediensteten vorsichtig auszufragen.
»Danke, ich werde aufpassen. Aber ich wüsste nicht, was sie über mich berichten sollte.«
»Das kann man nie wissen.«
In der folgenden Nacht wurden die gesamten Hausbewohner von lautem Geschrei aus dem Schlaf gerissen, und Lena sollte erfahren, was Rosa mit ihrer Andeutung gemeint hatte. Müde setzte sie sich auf. Die Stimme kam von unten, aus der Wohnstube, und schmetterte Beleidigungen und Beschimpfungen durchs Haus. Rosa war schon in ihre Kleider geschlüpft und tapste zur Tür, Helene folgte ihr.
»Was ist los?«, fragte Lena.
»Frau Mindermann hat vermutlich zu viel getrunken. Wir werden nachsehen, ob wir helfen können«, antwortete Rosa.
Lena war verwirrt und stieg ebenfalls in ihre Kleider, um den beiden hinterherzueilen.
»Schuft … Tattergreis!«, hörte man die aufgebrachte Stimme von Heide Mindermann. Lena lief schneller, um zu sehen, wer da so beschimpft wurde. Die beiden Mägde wussten es, denn sie machten keinen allzu aufgeregten Eindruck. Gerade kam Lena am Fuß der Treppe an, als ein Zinnkrug den Hausherrn verfehlte und erst scheppernd gegen die Wand flog, um anschließend auf dem Boden zu landen und verbeult hin- und herzurollen.
»Beruhige dich endlich und denk bitte an meinen Ruf«, bat der Ratsherr und hob die Hände, doch seine Frau ließ sich nicht besänftigen. Sie suchte offenbar nach einem neuen Wurfgeschoss. Einige Gegenstände lagen schon auf dem Boden verstreut.
Lena hatte im Töchterhaus genug Frauen und Männer gesehen, die dem Alkohol zu sehr zugesprochen hatten. Einige schliefen nach zu viel des Guten einfach ein, manche weinten, und wieder andere wurden bösartig. Heide Mindermann gehörte offensichtlich zu Letzteren.
Auch die männlichen Dienstboten kamen die Treppe herauf, doch Helene hielt sie auf. »Wir schaffen das alleine, geht schlafen.«
Die Männer warfen noch einen kurzen Blick auf die Szene und kehrten mit zuckenden Schultern um.
»Ich bin jung … schön und einsam! Ich will Kinder, doch dafür muss ich mir wohl jemand anderen suchen …«, lallte die Hausherrin.
»Heide, bei Gott, es reicht!« Constantin Mindermann schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Seine Frau zuckte zusammen und taumelte.
In diesem Moment hatten Helene und Rosa sie erreicht und griffen ihr beherzt unter die Arme. Helene warf dem Ratsherrn einen Blick zu, welcher zu sagen schien: Ich habe es euch ja gesagt. »Kommen Sie, Frau Ratsherrin«, flüsterte Rosa sanft.
Die beiden Mägde führten sie in ihre Kammer und schlossen leise die Tür. Dann war nur noch ein
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