Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
wieder in Richtung Stall. Lena beendete ihr Mahl, räumte das Geschirr weg und ließ dabei unbemerkt einige Löffel gemahlenen Kümmels in ihrer Gewandtasche verschwinden.
Anschließend nahm sie ihre Kaminutensilien und gab vor, mit ihrer Arbeit zu beginnen. Dank der Umstände hatte sie Glück, denn das allgemeine Durcheinander im Haus verschaffte ihr genug Ruhe und Zeit, die beiden Pulver unbemerkt zu vertauschen. Erleichtert machte sie sich anschließend an ihre übliche Arbeit. Als sie später in der Wohnkammer den Kamin reinigte, vernahm sie die Stimmen von Constantin und Heide Mindermann aus seinem Schlafraum.
»Nein, es war wirklich nicht zu ermüdend. Ich fand es sogar sehr lehrreich«, klang die helle Stimme der Hausherrin durch die Tür.
»Aber es wurde doch nur über den Krieg gesprochen, über Soldaten, Bauern und Ausrüstungen«, erwiderte ihr Gemahl.
»Das macht nichts, wo du bist, ist mir nicht langweilig.«
»So? Das sind ja ganz neue Töne, die du anschlägst. Wirst du dich am Ende doch geändert haben?« Sein Misstrauen war deutlich zu hören.
»Oh, du weißt, wie sehr ich dich liebe, und mit deiner Hilfe werde ich es sicher schaffen, die Frau zu werden, die du dir wünschst.«
Lena verdrehte die Augen, als sie das hörte, lauschte aber weiter gespannt.
»Du würdest mich unendlich glücklich machen, Heide.«
»Das ist mein größter Wunsch. Dennoch möchte ich dir nicht mit den anderen Frauen folgen. Hier fühle ich mich einfach sicherer.«
»Vorerst bist du in der Stadt gut aufgehoben. Sollten wir aber verlieren, flieh mit Helene und Wilfried zu deiner Schwester.«
»Sorge dich nicht, mein Geliebter, ich warte hier auf dich, und ihr werdet gewinnen. Bei Duckels Plan kann ja nichts schiefgehen.«
Der Ratsherr seufzte laut. »Dein Wort in Gottes Ohr. Dennoch, er ist manchmal ein Hitzkopf und muss wie ein junger Hengst behandelt werden.«
Lena hatte sich lange genug in dem Raum aufgehalten und verschwand, um ihre übrigen Aufgaben zu erledigen. Als Rosa am Mittag noch einiges auf dem Markt zu besorgen hatte, bat Lena darum, mitgehen zu dürfen, und erhielt die Erlaubnis.
Der Markt war voller als sonst, und wo man in dem Gedränge auch hinhörte, überall sprachen die Bürger mit Besorgnis über den bevorstehenden Krieg gegen Hoya. Außerdem kauften die Leute an Lebensmitteln, was für Geld zu haben war, sodass einige Händler rasch keine Waren mehr hatten und mit ihren leeren Karren von dannen zogen. Nur Theresa schien einen nie enden wollenden Vorrat an Maronen zu haben, und Lena kaufte einige bei ihr.
»Hast du keine Angst vor dem Krieg?«, wollte Lena von dem blinden Mädchen wissen, das immerzu lächelte.
»Was soll mir geschehen?«, antwortete Theresa.
»Wenn sie Bremen nehmen, könnten sie plündern, rauben und morden. Frauen könnten geschändet werden.«
»Ja, das könnten sie sicher, aber dazu müssen sie uns erst einmal finden.«
»Ah, ihr seid also in das geheimnisvolle Versteck gezogen?«
»Psst! Sonst machst du die Menschen neugierig und würdest uns verraten. Und ja, wir haben es getan. Es wäre nicht gut, wenn jemand herausbekommen würde, dass wir … du weißt schon.«
Lena wusste, dass Theresas Vater Jude gewesen war. Früher hatte sich kaum jemand darum gekümmert, aber in den vergangenen Wochen war es wohl zu Übergriffen auf Juden gekommen. Daraufhin war Theresas Familie umgezogen. »Verzeih, es war nicht meine Absicht, euch zu verraten.«
»Ich weiß.«
Lena legte ihre Hand auf die von Theresa. »Und nun muss ich weiter, sonst bekomme ich Schelte.«
»Frau Margarete?«
»Nein, dort bin ich nicht mehr, aber verrate mich nicht, sie lässt bestimmt nach mir suchen.«
Theresas Lächeln vertiefte sich. »Ich wusste immer, dass du dort nicht hingehörst.«
»Danke. Pass gut auf dich auf!«
Als Lena sich nach Rosa umsah, konnte sie diese nirgends entdecken und bahnte sich suchend einen Weg durch die Menschen, die dicht an dicht ihre Einkäufe erledigten. Nachdem sie den Markt einmal überquert hatte, ohne Rosa zu finden, nahm sie die Gelegenheit wahr, schnell zu Laurenz zu laufen.
Sein Haus stand in der Nähe des Töchterhauses, doch sie kam unerkannt dort an, fand allerdings die Tür wie bei den letzten beiden Malen verschlossen vor. Sie wollte nicht weiter im Ungewissen bleiben und klopfte beherzt bei den direkten Nachbarn. Vielleicht konnten die ihr sagen, wo er war. Inständig hoffte sie, dass keiner ihrer Freier ihr öffnete, doch sie hatte Glück,
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