Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
Abend jedoch suchten die Ratsherren Albert Doneldey sowie sein Bruder, der Bürgermeister Heinrich Doneldey der Jüngere, der auch Dominus Fabrice genannt wurde, Ratsherr Erich von Geestemünd und die Ratsherren Duckel und Dettenhusen Herrn Mindermann auf.
Lena war froh, dass sie nicht für das Essen zuständig war, denn sie fürchtete, dass von Geestemünd sie erkennen würde. Sie wollte diesen Menschen am liebsten nie wiedersehen. Die schlechte Erinnerung an ihn saß einfach zu tief, und obwohl sie, seit sie hier war, nur noch selten mit Übelkeit zu kämpfen hatte, wurde ihr bei dem Gedanken an diesen Mann speiübel. Helene jedoch ahnte nichts von Lenas Ängsten. »Kind, help mol de Happen rinn dragen.«
Lena erstarrte. »Kann das nicht –«
Helene ließ sie nicht ausreden. »Nee, keen annerer hett Tied, sünst hett ik di nich ropen. Nimm de Hoönken un kögel nich.«
Ihr blieb keine Wahl. Sie flehte im Stillen die heilige Anna an, dass von Geestemünd sie nicht erkennen möge. Mit zitternden Fingern griff sie das Tablett mit den Hühnerbeinen und den Wein und trug es in die Wohnstube, wo die Männer grade hitzig miteinander disputierten.
»Wären wir nur wieder in die Hanse eingetreten, als noch Zeit war. Nun stehen wir Hoya und seinem Verbündeten Lüttich alleine gegenüber«, schimpfte der Bürgermeister Heinrich Doneldey.
»Die Hanse hat uns rausgeworfen. Wolltest du wirklich vor ihnen zu Staube kriechen, damit sie uns wieder aufnehmen? Nein, wir brauchen sie nicht! Wir haben Schiffe und treiben auch ohne sie einen guten Handel. Geben wir dem Grafen von Hoya doch, was er will: seine Bauern. Warum machen wir es nicht so? Damit wäre die Fehde beigelegt, und es gäbe keinen Krieg«, wandte von Geestemünd ein.
»Aber wir brauchen die Bauern, haben ihnen die Freiheit versprochen, wenn sie in unsere Stadt kommen, und nun sollen wir ihnen in den Rücken fallen? Ihr seid es doch, der immer gegen den Wiedereintritt in die Hanse plädiert.« Ratsherr Duckel sah von Geestemünd finster an.
»Weil unsere Kassen voll sind, und durch die Ächtung der Hanse konnten wir bislang sogar gute Geschäfte mit Flandern machen. Das hat Euch bisher auch nicht gestört«, erwiderte von Geestemünd. »Warum sträubt Ihr Euch so, Hoya dieses Bauerngesindel zurückzugeben?«
»Weil dieses Bauerngesindel, wie Ihr die braven Leute nennt, unser Land bestellt. Oder wollt Ihr selbst mit Hacke und Schaufel Hand anlegen?« Duckel, der um einiges jünger und kräftiger war als von Geestemünd, war nun aufgestanden und sah ihn herausfordernd an.
Ratsherr Mindermann stand ebenfalls auf und legte Duckel die Hand auf die Schulter. »Es bringt uns nicht weiter, wenn wir uns jetzt zerfleischen. Hoya hat dein Land eingenommen, die Bauern, denen du Zuflucht gewährt hast, sind seine Geiseln. Wir können das nicht dulden. Damit fordern sie uns heraus, und genau das beabsichtigen sie.«
Er wandte sich nun an von Geestemünd. »Wir müssen uns jetzt einig werden. Aber nur, wie wir vorgehen, nicht, ob wir es tun, denn diese Frage stellt sich nicht mehr. Wir müssen kämpfen, auch ohne die Hanse.«
»Auf offenem Felde würden sie uns besiegen, seine Männer sind besser ausgebildet als die unsrigen«, brummte der Bürgermeister.
»Wir können so nicht siegen und sollten die Bauern zurückschicken«, beharrte von Geestemünd noch einmal mürrisch auf seiner Meinung.
Lena verstand nur die Hälfte von dem, was hier besprochen wurde, zumal sie bedacht darauf war, sich möglichst im Rücken von Ratsherrn von Geestemünd aufzuhalten.
»Nein. Bremen braucht diese Bauern.« Ratsherr Duckel schlug seine Faust in die flache Hand. »Und wenn wir Hoya nicht auf offenem Felde gegenüberstehen, sondern ihm an der Aller entgegentreten, wären wir im Vorteil.«
»Wir brauchen neue Bürger«, mischte Herr Mindermann sich nun ein. »Ohne sie wären unsere Kassen bald leer. Das ist einen Krieg wert.« Seine Frau stand hinter ihm, die Hände auf seinen Schultern, und gähnte verhalten.
»Was nützt uns der Krieg, wenn viele Männer ihr Leben lassen?« Von Geestemünd nahm Lena den Wein ab, ohne aufzublicken, ehe er fortfuhr. »Was hätten wir damit gewonnen? Gute Soldaten gegen ein paar Bauern. Ist es das wert?«
»Es sind über hundert Bauern, und wenn wir siegen, wird der Verlust gering sein.« Duckel hatte sich wieder gesetzt, war aber noch immer hitzig.
»Und wie genau verschafft uns die Aller einen Vorteil?«, bohrte Albert Doneldey nach.
Helene und
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