Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
wie bei einem Zimmermann, der von einem Haus gestürzt war, oder wenn Gliedmaßen faulten.
Der Soldat drehte sich um und betrachtete Thomas einen Moment. »Nun gut, versuch dein Glück. Ich besorge dir, was du brauchst.«
Bereits nach kurzer Zeit war Thomas sturzbetrunken. Dabei lallte er, wie hübsch ihre Mutter sei. Sie grinste amüsiert, während sie immer wieder von dem brennenden Wasser nachschenkte. Lena selbst stürzte auch einen Becher voll hinunter, um ihre Angst zu verbergen.
Kurze Zeit später kam ein junger Soldat mit einem Sack Hirtentäschelkraut. Lena ließ das Kraut in dem Tuch und begann, es mit einem Stein zu zerdrücken. Anschließend gab sie ein klein wenig Wasser hinzu und machte einen Brei daraus. Dann wandte sie sich an den Verletzten.
»Thomas, du musst keine Angst haben. Ich habe es oft gesehen und glaube, ich kann dir helfen. Die Frau, die mir alles beibrachte, was ich weiß, war eine sehr gute Heilerin. Beiße nun auf das Leder.« Sie schob ihm den Beutel zwischen die Zähne.
Thomas nickte, aber die Panik stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er drehte seinen Kopf zur Seite, um nicht hinzusehen, und biss tapfer auf den Lederbeutel.
»Mutter, würdest du bitte seinen Kopf halten und ein paar Männer seine Schultern und die Beine. Wenn er vor Schmerzen zappelt, kann ich den Arm nicht richten.«
Die Männer sprachen ihrem Kameraden Mut zu, und schließlich machte Lena sich mit einem leichten Unbehagen ans Werk. Sie umfasste den Arm, brachte ihn in die richtige Position. Dann nickte sie den Leuten zu, die Thomas hielten, und brachte mit einem Ruck die Knochen wieder zusammen. Thomas und ein Soldat, der ihn festgehalten hatte, fielen gemeinsam in Ohnmacht.
»Mannsbilder«, unkte ihre Mutter und grinste, auch wenn sie selbst etwas blasser um die Nase geworden war. In ihren Augen spiegelte sich Bewunderung, als die Männer Lena applaudierten, Komplimente aussprachen und ihr die Schulter klopften.
Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Knochen richtig zusammensaßen, legte Lena die Umschläge auf die blutende Wunde. Empfindlich zuckte Thomas zusammen und kam wieder zu sich, während sie den Arm schiente und verband.
»Wenn es sich entzündet, blutet oder er unnatürlich lange Schmerzen hat, sagt mir bitte Bescheid. Ich würde mir die Wunde gerne für den Anfang alle zwei Tage ansehen, wenn das möglich ist«, sagte sie dem Hauptmann, dessen Haltung ihr gegenüber sich schlagartig geändert hatte.
»Mit dem Arm ist er sowieso zu nichts zu gebrauchen. Er wird jetzt hier als Wache eingeteilt, dann kannst du ihn sehen, sooft es nötig ist.« Er räusperte sich. »Wir sind dir zu Dank verpflichtet.«
»Nein, Ihr schuldet mir keinen Dank. Aber wie wäre es mit etwas zu essen für die Frauen und Kinder?«
Er nickte ernst. »Ich werde anordnen, dass man euch noch heute etwas bringt.«
»Danke.«
»Dank mir nicht, denn dafür werde ich dir ab jetzt die Männer schicken, die krank oder verletzt sind.«
Der Hauptmann hatte nicht zu viel versprochen: Sie erhielten eine ganze Wagenladung Nahrungsmittel. Selbst ein Bier- und ein Weinfass waren dabei. Die Frauen bedankten sich überschwänglich bei Lena und richteten am Abend ein regelrechtes Festessen her.
In einem ruhigen Augenblick nahm Lena ihre Mutter zur Seite. »Gibt es eine Möglichkeit, zu unseren Männern zu kommen? Weißt du, wo die Soldaten ihr Quartier haben?«
Judith von Riede legte den Kopf schief und betrachtete ihre Tochter nachdenklich. »Du hast doch etwas Waghalsiges im Sinn?«
»Nein. Zumindest noch nicht.« Lena lächelte.
»Wenn ich dich hinführe, versprich mir, dass du dich nicht in Gefahr bringst und vorsichtig bist.«
»Ich verspreche es.«
»Nun gut, hinein kommen wir nicht, aber ich kann dir das Lager zeigen. Wir müssen sehr leise sein.«
In der Nacht verließen sie die Scheune durch ein loses Brett an der Rückwand. Da keine der Wachen zu hören oder zu sehen war, schlichen sie unbemerkt zu einer Baumgruppe, die etwas Schutz vor Entdeckung bot. Von hier aus gingen sie in Richtung Osten, vorbei an einer großen Pferdekoppel und durch ein Wäldchen.
»Warum hast du dem Soldaten geholfen?«, fragte Judith nach einer Weile.
»Marie hat es mich gelehrt. Sie sagte, kein Mensch, ob Freund oder Feind, solle leiden, wenn sie etwas dagegen tun könne.«
»Marie war eine weise Frau. Nicht jeder hätte dem Feind geholfen. Einige der Frauen haben sogar über dich getuschelt.«
»Lass sie nur. Ich bin Gerede
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