Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
näherte. Und tatsächlich hielt das Pferd an, schüttelte aber noch immer seinen Kopf.
»Der soll vorsichtig sein, dem Gaul ist jetzt nicht zu trauen«, meinte Grete.
Doch der Mann hörte sie nicht und ging näher. Als er vor dem Pferd angekommen war, streckte er seine Hand aus und griff blitzschnell nach dem Zügel. Die umstehenden Männer jubelten, doch das Pferd schien darüber weniger begeistert. Es stieg erneut auf und erwischte den Mann mit den Hufen am Arm. Das Knacken der Knochen war bis zu den Frauen zu hören, die erschrocken zusammenzuckten. Mit einem Aufschrei fiel der Mann um, rollte sich aber geistesgegenwärtig ein Stück zur Seite.
Das Pferd wollte fliehen, aber ein weiterer Soldat erwischte die Zügel und hielt es fest. Andere kamen ihm zu Hilfe, und gemeinsam gelang es ihnen schließlich, das Tier zu beruhigen. Beherzte Soldaten kümmerten sich um den Verletzten, der nun im Gras saß und sich seinen Arm hielt.
»Kennt sich eine damit aus?«, brüllte ein Hauptmann mittleren Alters mit einer Halbglatze und schwarzem Vollbart den Frauen zu.
Die meisten von ihnen schüttelten den Kopf, murmelten ein Nein vor sich hin und verzogen sich wieder an ihre Arbeit. Lena jedoch nickte zaghaft.
»Kind, halt dich da raus, sie haben eigene Leute dafür.« Ihre Mutter versuchte, sie mit sich zu ziehen, doch Lena entzog ihr sanft ihren Arm.
»Komm mit, Mama, vielleicht brauche ich deine Hilfe.«
Seufzend gab Judith nach.
Der Verletzte war im Alter ihrer Mutter, hatte graue Schläfen und war von der Sonne braun gebrannt wie die meisten der Männer. Er hatte wache blaue Augen, die Lena jetzt qualvoll ansahen.
»Bist du Heilerin?«, fragte der Bärtige und maß die beiden Frauen skeptisch.
»Ich habe bei einer gelebt und ihr geholfen, Brüche zu behandeln.« Sie hatte einige Male zugesehen, wenn Verwundete zu Marie kamen, und war ihr sogar hin und wieder zur Hand gegangen.
»Also bist du nun Heilerin oder nicht?«, wollte er ungeduldig wissen.
»Ich kann ihm vielleicht helfen, ist das nicht viel wichtiger?«
Der Hauptmann brummelte etwas in seinen Bart und deutete dann auf den Verwundeten.
»Habt ihr denn selbst keinen Heiler oder Bader bei euch?«, fragte Lena, während sie sich hinkniete.
»Unser Heiler ist vor zwei Nächten gestorben, und die anderen sind bei der Truppe des Grafen.«
Lena wandte sich dem Verletzten zu. »Darf ich mir deinen Arm ansehen? Ich fürchte allerdings, dass es schmerzhaft werden kann.«
Er nickte. Kleine Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet.
Vorsichtig zerschnitt Lena die Bänder seiner ledernen Rüstung und seine Uniformjacke. Als der Arm freilag, sah sie einen Knochen unterhalb des Ellenbogens herausragen. Es sah schlimm aus und blutete stark. Einige Soldaten wurden blass, und einer drehte sich sogar weg, um sich zu übergeben.
»Wir brauchen einen kleinen Knüppel, einen Lederbeutel oder etwas Ähnliches, auf das er beißen kann, außerdem zwei Holzbretter oder Äste sowie ein Stück Seil oder Lederbänder«, sagte sie zu den umstehenden Männern.
Die Männer beeilten sich, die Sachen zu besorgen, und kurz darauf wurden ihr ein Ledersäckchen sowie mehrere Äste gereicht. Lena sortierte die krummen aus und behielt die drei Äste, die am besten geeignet waren, um den Arm später zu schienen.
»Wie heißt du?«, fragte sie den Verwundeten und lächelte zuversichtlich.
»Thomas«, presste er zwischen den Zähnen hervor.
»Moment!« Der Hauptmann griff Lena am Arm und zog sie ein Stück von der Gruppe fort.
Lena funkelte ihn zornig an. »Er blutet stark. Lasst mich meine Arbeit machen.«
Er ignorierte ihre Worte. »Ich habe das schon einmal gesehen. Der Arm muss ab!«
»Nein«, widersprach sie. »Ich glaube, dass wir den Arm retten können. Besorgt mir Hirtentäschelkraut, um die Blutung aufzuhalten. Kennt Ihr die Pflanze?«
Der Hauptmann nickte widerwillig.
»Außerdem brennendes Wasser. Habt Ihr welches?«
»Ja, haben wir, wozu brauchst du es?«
»Ich muss die Wunde spülen, und wir müssen ihn betrunken machen, dann wird er es leichter verwinden, wenn ich den Arm richte.«
»Das kann man nicht mehr richten. Ich habe das schon oft gesehen, und die Männer behielten ihre Arme oder Beine nie, wenn ein Knochen herausragte.«
»Bitte lasst es mich versuchen. Es wäre doch besser, er behält seinen Arm, oder nicht?«
Auch Marie hatte schon die eine oder andere Amputation durchführen müssen, aber nur, wenn die Knochen zertrümmert waren, so
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