Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
finden. Ich bete jeden Abend darum.«
»Danke, Mama.«
»Nun schlafe noch etwas.«
Doch Lena konnte nicht mehr einschlafen und lag grübelnd wach, bis es Zeit war, aufzustehen.
Am nächsten Abend verkündete Frau Gudrun, dass der Graf in der Burg nicht mehr so viele Frauen brauche und gedenke, für die Witwen und Jungfern einen Mann zu finden, damit sie nicht ohne Auskommen daständen.
Lena fürchtete, dass es für sie und ihre Mutter zu ernsten Problemen kommen konnte. Sie musste sich beeilen und einen Fluchtplan für ihre Familie und für Laurenz ersinnen.
* * *
Zweimal hatte Lena in den folgenden Tagen Gelegenheit gehabt, an der Kammertür von Ludwig Hastedt zu horchen. Beim ersten Mal wurde sie enttäuscht, denn es war absolut still. Beim zweiten Mal, am späten Abend, hörte sie, dass sich das Pärchen hinter der Tür wieder einmal vergnügte. Die Hübschlerin war also immer noch bei ihm. Als Lena an diesem Abend erneut durch die Flure schlich und vor Hastedts Kammer haltmachte, hörte sie die beiden hitzig miteinander sprechen. Sie stritten sich, wenn auch in gemäßigtem Ton.
»Ich habe genau gesehen, wie du dem ältesten Sohn des Grafen schöne Augen gemacht hast.«
»Bitte zürne mir nicht. Ich habe ihm doch nur einmal freundlich zugelächelt. Mehr nicht. Bitte glaub mir.«
»Einer Hure glauben? Ha! Das wäre ja, als würde man den Teufel anbeten!«
»Aber …«
Lena hörte aus der traurigen Stimme des Mädchens heraus, wie sehr ihr diese Schelte zusetzte.
»Wenn du es wünschst, werde ich gehen.«
Es ertönte ein dumpfer Schlag, gefolgt von einem Aufschrei, der Lena zusammenzucken ließ.
»Tu mir nicht weh, ich habe nichts Unrechtes getan«, bettelte das Mädchen mit zitternder Stimme. Lena presste sich die Faust vor den Mund. Was sollte sie nur tun? Sie konnte das Mädchen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Dieser Mann war zu allem fähig, das hatte er schon bewiesen. Wieder ertönte ein Schlag, und das Mädchen begann laut zu weinen.
»Still«, fauchte Ludwig.
Lena dachte nicht länger nach. Sie sah sich nach einem guten Versteck um, und als sie eine Nische entdeckte, klopfte sie drei Mal energisch gegen die Tür. Im nächsten Moment war sie in der Nische verschwunden und verschmolz mit der Dunkelheit. Sie konnte von ihrem Platz aus sehen, wie die Tür aufgerissen wurde. Nach zwei Wimpernschlägen trat Hastedt, nur mit Beinlingen bekleidet, auf den Gang, sah sich in beide Richtungen um und blieb noch einen Augenblick lauschend stehen. Lena hielt die Luft an, bis sie glaubte, ihre Lungen würden platzen. Dann endlich verschwand er wieder, und die Tür fiel zu. Erleichtert atmete Lena aus.
In der Burg waren die meisten Bewohner bereits zu Bett gegangen, und auch sie hätte sich auf den Weg machen sollen, doch eine innere Unruhe hielt sie davon ab. Sie verharrte noch eine Weile in der Nische und dachte schon daran zu gehen, als Hastedt plötzlich die Kammer verließ. Dieses Mal trug er seine Uniformjacke und Schuhe zu den Beinlingen. Er zog die Tür hinter sich zu und begab sich nach unten.
Lena folgte ihm in sicherer Entfernung, indem sie von Versteck zu Versteck huschte. Ludwig ging nicht, wie sie angenommen hatte, in die große Halle, sondern begab sich ganz nach draußen. Nebelschwaden waberten von der Weser herauf über den Burghof. Eigentlich mochte Lena keinen Nebel, doch heute hieß sie ihn willkommen. So hatte sie wenigstens etwas Deckung.
Im Hof standen nur noch ein halbes Dutzend Zelte. Die meisten Soldaten waren inzwischen wieder abgereist. Die verbliebenen Soldaten, die noch in den Zelten wohnten, waren nur noch zur Verstärkung gedacht, würden aber auch in absehbarer Zeit nach Hause zurückkehren. Viele waren einfache Leute wie Bauern und ihre Knechte, Handwerker, ihre Lehrlinge und Händler. Der Krieg hatte sie zu Soldaten gemacht, doch bis auf wenige Ausnahmen wollten sie jetzt nur noch zu ihren Familien zurück.
Lena wunderte sich, denn Ludwig schlich förmlich zwischen den Zelten hindurch. Plötzlich stürzten sich wie aus dem Nichts zwei Schatten auf ihn. Erschrocken versteckte Lena sich hinter einem Zelt.
»Wir dachten schon, dass du dich nicht mehr raustraust«, zischte einer der beiden Angreifer und setzte dem am Boden liegenden Ludwig ein Schwert an den Hals. »Aber wir hofften, dass dich der Spieltrieb früher oder später aus deinem Mauseloch kriechen lässt.«
»Bring ihn nicht gleich um. Vielleicht ist er gekommen, um seine Schulden zu
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