Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
Gesicht. »Es geht schon wieder. Mach dir keine Sorgen.«
Natürlich sorgte er sich. Seine Mutter war alt, und sie erregte sich noch schneller als früher. Wieso stritt er mit ihr, zumal sie nicht ganz unrecht hatte.
»Papst Julius«, sagte er leise, »ist voller Eigenschaften, die ich nicht schätze, und ich tue alles, um mich dagegen abzugrenzen. Doch es geht nicht um ihn, sondern um mich. Er hat mir eine Aufgabe gegeben, und ich habe gemerkt, dass ich eine Begabung dafür habe, sie zu erfüllen. Ich spüre die Herausforderung, und ich spüre den Willen, sie zu meistern. Daran ist nichts Schlechtes, glaub mir, Mutter.«
Sie zögerte noch, seine Erklärung zu akzeptieren, aber schließlich gab sie nach. »Ich sollte vielleicht mehr Vertrauen haben. Eine Mutter sieht ihre Kinder immer schutzbedürftiger, als sie sind.«
Er lächelte und nahm ihre Hand. »Das verstehe ich.«
Um ihr eine Freude zu machen, schloss er seine Augen und faltete die Hände zum Gebet. Eine gemeinsame Andacht wäre das Richtige, um seine Mutter zu beruhigen. Für eine Weile kehrte wieder Stille ein, jene Stille, die er von ihr gelernt hatte.
»Dann halte dich wenigstens von dieser Frauensperson fern.«
Sandro schlug die Augen auf. »Wie bitte?«
»Ich rede von dem Weib, das in mein Haus gekommen ist, um mit Bianca zu sprechen. Bianca hat diesen Besuch vor mir verheimlicht, aber ich habe genügend Dienstboten, die mir erzählen, was unter meinem Dach vorgeht. Außerdem habe ich beobachtet, wie sie das Haus verließ. Eine Künstlerin, Sandro! Eine ledige Frau von dreißig Jahren, deren ganzes Gehabe unerhört freizügig ist! Ich glaube nicht, dass dieser Einfluss dir guttut.«
»Da Bianca nicht mit mir gesprochen hat, habe ich …«
»Das ist jetzt unwichtig«, sagte sie. »Hast du näheren Umgang mit ihr?«
Sandros Stimme wurde fester. »Ja.«
»Du musst dich von ihr lösen. Auch wenn du kein Geistlicher wärst, wäre der Umgang mit ihr schädlich für dich. Aber so ist er geradezu verderblich.«
»Du kennst sie überhaupt nicht.«
»Ich kenne Frauen, alle Arten von Frauen, gute und schlechte. Diese ist schlecht.«
Sandro erhob sich. »Du hast kein Recht, so von ihr zu sprechen.«
»Ich habe alles Recht der Welt. Ich bin eine Mutter und eine Christin, und sie ist eine Dirne wie diese Maddalena, die Gottes Diener zu Sündern macht.«
Er sog die Kirchenluft ein. »Ich werde hier nicht stehen und mir das anhören, Mutter. Ich habe dich immer geachtet, aber das – das geht zu weit.«
Er wollte sich abwenden, doch sie ergriff, noch immer kniend, seine Hand. »Das ist nicht in Gottes Sinn.«
»Ich«, sagte er leise, aber vehement, »habe die Armen gewaschen und den Kranken die Eiterbeulen aufgestochen und die Sterbenden getröstet und sie beerdigt, während du in einer Kapelle die Hände gefaltet hast, bis sie dir erkalteten. Ich glaube, ich verstehe auch ein wenig von Gott.« Er fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, so als wasche er es. »Wir sind beide erregt. Es ist besser, wir reden ein anderes Mal darüber.«
»Hast du bei ihr gelegen?«
Er riss sich von ihr los. »Hör auf«, rief er und wich zurück.
Sie erhob sich ebenfalls und ging ihm nach. Erneut packte sie seine Hand. »Du bist schwach, Sandro, bist immer schwach gewesen, ein verführbares Kind, ein Engel nahe am Abgrund. Diese Frau hat das erkannt, und ob sie es weiß oder nicht, sie hat sich zu einer Kreatur des Bösen machen lassen. Sie verfolgt dich, sie ist hinter dir her, sie sitzt dir im Nacken. Du kannst nicht vor ihr davonlaufen, du kannst dich ihr nur stellen und ihr deine Verachtung ins Gesicht schleudern.«
»Hör endlich damit auf!«
Er versuchte, sich von ihr zu lösen, doch sie hielt ihn mit beiden Händen an der Soutane fest.
»Ich lasse dich nicht los, ich gebe dich nicht auf. Du bist alles, was ich habe, und was du bist, das bist du durch mich. Ich habe für dein Wohl gebetet, ich habe dich gesäugt und genährt, habe deine Seele und deinen Magen gefüllt, habe deinen Weg ins Kloster gelenkt, in ein neues Leben hinein. Habe ich alle diese Opfer gebracht, damit du dich einer billigen Dirne an den Hals wirfst?«
Er konnte sich nicht erinnern, seine Mutter je so erlebt zu haben. Einen Moment lang kreuzten sich ihre Blicke, verschmolzen noch einmal miteinander wie so oft in früheren Tagen, dann verschwamm Elisa vor seinen Augen.
Er riss sich los, und als sie noch einmal nach ihm greifen wollte, wehrte er sie ab. Schritt für Schritt
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