Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
und blieb geschlossen. Die Luft war stickig und warm, die Luft einer verruchten Liebesnacht. In kalten Nächten, fand Antonia, hatte die Liebe etwas Behagliches, Nettes, aber in warmen Nächten bekam sie etwas Unmoralisches und Verbotenes.
Sechs Monate lang hatte sie nicht mehr mit allen Sinnen geliebt, jetzt brachten ein paar Berührungen Milos ihre selbst auferlegte Enthaltsamkeit zu Fall. Antonia spürte Lust, Milos Brust zu küssen, dann seinen Bauchnabel, sein Geschlecht, sein Muttermal, seine Muskeln, seine Haare, sein ganzes Wesen. Sie gab sich ihm mit geschlossenen Augen hin und vergaß alles
um sich herum. Ihre Intelligenz, ihre Fantasie, ihre Hoffnungen verwandelten sich in Fleisch, das berührt und geliebt werden wollte.
»Liebe mich«, flüsterte sie, als Milo langsam in sie eindrang. »Das ist alles, was ich will, mehr musst du nicht tun. Liebe mich.«
Seine Bewegungen waren so langsam, harmonierten so perfekt mit ihren eigenen Bewegungen, dass sie vor Lust aufstöhnte. Sie hatte schon Liebe mit Männern gemacht, bei der sie nachempfinden konnte, wie sich jemand fühlen musste, der von einer Kutsche überfahren wurde, und sie hatte andere Liebe gemacht, bei der sie nebenher ein Kissen hätte besticken können. Mit Milo genoss sie jeden Moment, sog ihn auf. Sie sehnte sich so sehr danach, echte Liebe zu empfangen, aber genauso sehr, echte Liebe zu geben. Milo wollte ihre Liebe, ja, er bestand darauf. Er schenkte ihr seinen Körper, seinen Geruch, aber vor allem gab er ihr den Glauben an die Zukunft zurück, daran, dass das Leben weiterging und noch viel, sehr viel Gutes bereithielt.
»Es ist eine ganz kleine Existenz«, sagte Milo über sich. »Nur das Teatro, mein Zimmer, wenige Freunde, ein paar Frauen …«
Antonia lächelte. Sie lag neben ihm in dem Bett in einem kleinen Zimmer, in einem schmalen, unförmigen Hurenhaus, das zwischen antiker Ruine und Tiber eingequetscht war, und fühlte sich so wohl wie schon lange nicht mehr, wie vielleicht noch nie. Sie sahen sich an. Ihre nackten Körper waren einander zugewandt, spielten momentan jedoch keine Rolle mehr. Jetzt ging es um etwas anderes. Es ging nicht mehr um das, was sie zusammengeführt hatte, sondern um das, was sie zusammenhalten würde.
Dass Milo die Frauen erwähnte, war alles andere als unangebracht.
Hätte er sie nicht erwähnt, wäre das beunruhigend gewesen. Dass er sie zur Sprache brachte, hieß, dass er ihnen ebenso wenig Bedeutung beimaß wie sie ihren Männern.
»Alles, was ich tue und zustande bringe, spielt sich also auf kleinstem Raum ab«, sagte er. »Ich bin nichts Besonderes. Ich bin nicht, so wie du, in Frankreich und Spanien gewesen, und ich besitze nicht, so wie … Ich habe keinen Titel, wenig Bildung, fast kein Geld, nicht den geringsten Einfluss auf irgendwas. Niemand fragt mich nach meiner Meinung, niemand vertraut mir Wichtiges an. Ich repariere die Betten der Huren, wenn ihre Kunden zu schwer oder zu wild gewesen sind, und ich reinige die Latrine. An meiner Arbeit und an meinem Leben ist nichts Erhabenes. Kurz gesagt: Ich bin ein blöder Kerl.«
Sie lächelte. »Vor allem bist du ein Tiefstapler.«
»Du hast mich durchschaut.«
»Noch nicht einmal zur Hälfte.«
Sie verliebte sich immer in solche Männer, an denen sie etwas Komplexes, Vielschichtiges erkannte. Möglicherweise lag es daran, dass sie mit den christlichen Mysterien großgeworden war, deren Magie sie auf die Glasfenster der Kirchen übertrug. Glasmaler waren von Natur aus Bewahrer der Mysterien, sie hatten einen Sinn für Tiefe und Intensität, und Antonia fühlte sich zu allem, was tief und geheimnisvoll war, hingezogen: zur Vergangenheit, zum Göttlichen, zum Meer, zu Milo. Milo war ein komplexer Mann, auch wenn er es nicht zugab. Sie spürte tiefere Schichten, die er verbarg, und konnte nur ahnen, womit sie zu tun hatten. Er hatte ihr von seiner Herkunft erzählt, davon, dass er ein Bastard war, und er hatte von abenteuerlichen Kindheitsträumen gesprochen. Offenbar fühlte er sich wohl in seiner ungezwungenen »kleinen Existenz«. Er mochte Sandelholz, und er verstand etwas davon, Frauen im Bett zu beglücken. Mehr wusste sie nicht von ihm. Aber da war mehr. Sehr viel mehr.
Die Dämmerung ging in Dunkelheit über, schöne Augenblicke, als ihre Körper langsam in der Düsternis des Zimmers versanken. Antonia und Milo lagen sich noch immer in der gleichen Haltung gegenüber. Eine Weile sprachen sie nicht. Milo konnte schweigen, so wie
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