Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
Kleinfamilie Platz gehabt hätte, und sah ihn unentwegt an, als wolle sie kontrollieren, dass er Francesca auch ja kein Kind machte, indem er sie an irgendeiner Stelle des Körpers – also auch nicht an den Fingerspitzen oder anderen höchst intimen Regionen – berührte.
Immerhin: Wenn er den Kopf nach links drehte, sah er Francesca, war ihr nah, sah eine gelöste Strähne im Fahrtwind
flattern. Ihr Gesicht belebte sich, nahm Farbe an, und in die Freude darüber, dass es ihr offensichtlich etwas besser ging, mischte sich der Stolz, dass er dazu beitrug.
Doch dieses gute Gefühl wurde ständig unterbrochen, wie von einer Art Stich, und daran war Filomena ausnahmsweise unschuldig.
»Vielleicht« – Gott, wie schwer es ihm fiel, diesen Satz auszusprechen – »vielleicht verlassen wir die Innenstadt und steigen irgendwo aus, wo es grün ist.«
Sie lächelte ihn an, als habe er ihr aus dem Herzen gesprochen. »Ja, gern, Hauptmann. Verzeihung, ich meine Barnabas. Lasst uns auf den Gianicolo fahren, die Aussicht ist dort am schönsten.«
Es schien ihm unmöglich, dass sich hinter Francescas trauerndem, vornehmem Gesicht ein Plan verbarg. Wenn er sie anschaute, dann sah er Ruhe, ein wenig Leiden, sehr viel Geduld und eine schier endlose Nachgiebigkeit. Sie war eine Frau, die für alles und jeden ein gutes Wort hatte, selbst für diejenigen, die ihr wehtaten. Was er nicht sah und was er ihr niemals zugetraut hätte, war List.
Auf dem Gianicolo fuhren sie an Maddalenas Villa vorbei.
»Hier ist es passiert«, sagte er und fühlte sich wie ein Lump. »Hier wohnte Maddalena Nera.«
»Oh«, rief sie. »Wie groß dieses Haus ist, größer als meines.«
»Ich verstehe nicht viel von diesen Dingen, aber ich glaube, es ist teuer und geschmackvoll eingerichtet.«
»Nun habt Ihr mich aber neugierig gemacht, Barnabas. Darf ich es besichtigen? Ich verspreche auch, nichts anzurühren und niemandem etwas davon zu sagen.«
»Wieso nicht? Wenn es Euch Freude macht.«
»O ja, das würde es tatsächlich.«
Forli ließ den Kutscher anhalten, und sie stiegen aus. Die
vor dem Eingang postierten Wachen nahmen geräuschvoll Habachtstellung ein.
Das Innere der Villa war angenehm kühl, zugleich war es lichtdurchflutet. Der Marmor und die Gold- und Rottöne leuchteten auf, und das Haus zeigte sich von seiner schönsten Seite.
»Überwältigend«, sagte Francesca. »Um eine solche Villa zu bekommen, würde Ranuccio seine ganze Familie verkaufen.« Sie schmunzelte, und ihre Unbekümmertheit übertrug sich auf Forli. Fast konnte er vergessen, weshalb er sie hergelockt hatte.
Er zeigte ihr – und der unvermeidlichen Filomena – alle Räume. Zuletzt kamen sie auf die Terrasse, wo ebenfalls zwei Wachen postiert waren.
»Oh, Barnabas«, rief sie, »seht Euch das an. Eine schönere Aussicht hat keiner in Rom, nicht einmal Papst Julius. Da drüben, der Aventino. Und dort, das Castel Sant’Angelo. Atemberaubend! Nicht wahr, Filomena?«
»Ja, Donna«, antwortete die Zofe, die sich im Hintergrund hielt, trocken.
»Ich weiß«, sagte Francesca an ihn gewandt, »dass sich Männer im Allgemeinen und Soldaten im Speziellen nicht viel aus solchen entzückenden Perlen wie dieser Aussicht machen. Oder wie sieht es mit Euch aus, Barnabas?«
»Da sie Euch begeistert, Francesca, begeistert sie auch mich.« Und das war die Wahrheit.
Sie senkte verschämt den Kopf und lächelte. Dabei fiel ihr Blick in den Garten. »Barnabas, seht nur, wie die Blumen in der Sonne leuchten. Das sind Iris. Wie ich Menschen mit solchen Gärten und mit solchen Blumen beneide. Ranuccio spart, wo er kann, auch am Garten. Wir haben nicht einmal einen eigenen Gärtner. Und hier nun solche Schönheit, direkt vor mir. Würdet Ihr … Nein, ich frage lieber nicht.«
Ihm drehte sich regelrecht der Magen um. »Wünscht Ihr, dass ich Euch ein paar Blumen pflücke?«
»Wäre das möglich? Wie lange hatte ich schon keinen Strauß Blumen mehr in der Hand! Lasst uns gemeinsam Iris pflücken. Oh, Barnabas, Barnabas, Ihr macht den traurigsten Tag meines Lebens zugleich zu einem der schönsten. Ich danke Euch, Barnabas.«
Er wünschte sich so sehr, ihr glauben zu können.
Doch als er mit Francesca die Treppe in den Garten hinabschritt, fiel ihm auf, dass Filomena ihnen nicht folgte.
Sandro wartete im Weinkeller, umgeben von Fässern jenes Gebräus, das ihn seit Monaten wie eine Amme in den Schlaf begleitet hatte, das ihn getröstet und jene Leere in ihm gefüllt hatte, in
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