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Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom

Titel: Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Konzessionen, Monopole und dergleichen in einem bestimmten Bistum? Nun, auf Ranuccio trifft das zu. Er wollte, dass Sebastiano zum Bischof von Sorrent ernannt wird. Dort gibt es ausgedehnte Zitrusplantagen, die sich im Besitz des Bistums befinden, und Ranuccio wollte die Handelskonzession dafür bekommen. Das hätte ihm viel Geld eingebracht.«
    »Und mein Vater? Wie hätte er an Sebastiano verdient?«
    »Gar nicht, Carissimi. Euer Vater hat für Euch bezahlt.«
    Sandro erbleichte. »Für mich? Aber er hat mich nie … Er konnte mich doch noch nie …« Er schluckte und riss sich zusammen. »Als Jesuit darf ich keine Kirchenämter übernehmen«, sagte er selbstbewusst.
    »Das weiß er. Er will, dass Ihr ein inoffizielles Amt bekommt: Berater des Heiligen Stuhls. Damit hättet Ihr großen Einfluss im Vatikan. Ich glaube nicht, dass es ihm dabei um ein lukratives Geschäft für ihn selbst ging.«
    Sandro wagte kaum zu fragen. »Welchen Grund könnte er sonst gehabt haben?«

    »Da er nicht wollte, dass Ihr jemals von seinem Geschäft mit mir erfahrt … Wenn Ihr mich fragt: Alles deutet darauf hin, dass er es nur für Euch tat.«

33
    Morde am helllichten Tag waren wie Eiszapfen im Juni: Sie waren fehl am Platz. Das natürliche Milieu des Mordes war die Nacht, die Abwesenheit von Licht. Aber es gab Umstände, die ihn dazu zwangen, schnell zu handeln.
    Er betrat das Haus an der Piazza del Popolo mit großer Selbstverständlichkeit, und auf die gleiche Art bewegte er sich das düstere, fensterlose Treppenhaus hinauf. Wenn man am Tage einen Mord beging, musste man sich auch wie ein Tagmensch benehmen. Schleichen und Blicke über die Schulter werfen hingegen waren Verhaltensweisen der Nacht, die jetzt nur Verdacht erregt hätten. Niemand achtete bei Tage auf einen Mann, der ein Haus betrat, als würde er es jeden Tag betreten.
    Auf dem Treppenabsatz zwischen dem zweiten und dritten Stockwerk saß eine Katze, die ihn zunächst grimmig ansah, aber dann, als er ihr die Hand zum Schnuppern anbot, schnell Freund mit ihm wurde. Sie stieß einen zutraulichen Laut aus, und er belohnte sie mit Streicheln ihres honigfarbenen Fells.
    Sie begleitete ihn die letzten Stufen bis vor Carlottas Wohnungstür. Er strich noch einmal mit der Handfläche über ihren Kopf, lächelte sie an, dann hielt er seinen Dolch bereit und klopfte an die Tür.
    Ein kräftiger Wind blies durch das zugige Treppenhaus.

    Über Carlottas Nachmittag lag ein Hauch von Abschied. Sie löste ihre Wohnung an der Piazza del Popolo auf, und diese Formulierung nahm sie wörtlich: auflösen, zerlegen, sich trennen, zerfallen. Die Vergangenheit abschaffen. Alles, was ihr Leben ausgemacht hatte, sammelte sich auf einem großen Haufen in der Zimmermitte. Da lag ein Seil, über das sie als Kind oft gesprungen war, und ein unbeholfenes Bild, das sie vor vielen Jahren von sich und einigen Freundinnen gezeichnet hatte. Da war ein vergilbter Zettel, auf dem ein einziges Wort stand: Damals hatte sie zusammen mit Altersgenossinnen überlegt, was jeder wäre, wenn er als Tier auf die Welt gekommen wäre, und in ihrem Fall hatte man sich auf eine Elfe geeinigt, in der Annahme, Elfen seien zum Tierreich zu zählen. Elfe, stand auf dem Zettel. Er lag direkt neben einem Medaillon, das Pietro, ihr Gatte, ihr zur Geburt Lauras geschenkt hatte. Ein Hornkamm, den sie ihrer Tochter zum siebten Namenstag geschnitzt hatte. Ein Glasbild von der Größe einer Hand, gefertigt von Hieronymus, das sie und ihn zeigte. Briefe, Notizen, Urkunden. Ein Gebetbuch ihrer Mutter. Kindheit, Jugend, Ehe, Mutterschaft, Witwenschaft, Elend – alles lag durcheinander auf diesem Haufen, so wie ja auch in der Erinnerung die verschiedensten Ereignisse dicht beieinanderliegen, selbst wenn sie in Wahrheit durch Jahrzehnte getrennt sind. Mit dem Unterschied, dass Carlotta mit diesem Haufen machen konnte, was mit Erinnerungen nicht wo einfach war: ihn wegwerfen. Sie würde sich von allem, was die Vergangenheit lebendig machte, trennen, selbst von dem, was ihr am Herzen lag, sodass von dieser Vergangenheit nur ein Skelett übrig blieb, ein Geist, der in ihrem Kopf spukte.
    Ein lautes Pochen erschütterte die Tür. Carlotta zuckte zusammen und starrte gebannt dorthin, bis sie nach endlosen Sekunden begriff, dass es nur der Wind gewesen war, der an dem altersschwachen Holz rüttelte.
    Seit gestern geriet sie bei der geringsten Absonderlichkeit in
einen Zustand der Lähmung. Dann zog sich alles in ihr zusammen und

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