Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
schlug Carlotta vor, »dass er über das Treiben seines Bruders und Quirinis nicht im Bilde war, dass er also dieses Geheimnis gemeint hatte.«
»Hm, nein, eher nicht, Carlotta«, sagte Sandro. »Sebastianos Betragen als Mönch lässt darauf schließen, dass er sich nur deswegen darauf eingelassen hat, Mönch zu werden, weil man ihm versprochen hatte, dass er in nicht allzu ferner Zukunft eine steile Kirchenkarriere machen wird.«
»Außerdem bringt man den Gaul, der Gold scheißen soll, nicht um«, sagte Forli.
»Richtig«, stimmte Sandro zu. »Auch wenn ich es weniger bildhaft ausgedrückt hätte. Ranuccio profitiert weder von Maddalenas noch von Sebastianos Tod.« Er betrachtete die Gegenstände und griff nach dem leeren Lederbeutel, den er bei Sebastianos Leiche gefunden hatte, einen Geldbeutel der Camera Secreta.
»Wir haben noch nicht über Massa gesprochen«, sagte Forli mit düsterer Freude. »Er hatte Motiv und Gelegenheit, Maddalena zu töten, und was Sebastiano angeht, verschweigt Ihr uns irgendetwas, Carissimi. Ich sehe vielleicht nicht besonders intelligent aus, und ich gebe zu, manchmal benehme ich mich entsprechend meinem Aussehen. Aber ich bin nicht so vertrottelt, um nicht zu bemerken, wie Ihr einen großen Bogen um Sebastianos Pfortendienst in der Mordnacht macht. Er ist offensichtlich mit Geld aus der Camera Secreta bezahlt worden, also hat er etwas gesehen, das er besser nicht gesehen hätte,
und Ihr wisst, was es war. Oder sollte ich besser sagen: wer es war.«
Sandro blickte auf die Tischplatte, während Forli sich weiter in seine Verdächtigungen hineinsteigerte.
»Ihr wollt Euch nicht dazu äußern, Carissimi? Gut, dann sage ich Euch, was ich denke: Sebastiano hat den Papst gesehen. Der Papst hat Maddalena tot aufgefunden. Der Papst war es, der Quirini dabei störte, das Geheimfach zu plündern. Aber wurde Sebastiano bezahlt, um diese Beobachtung für sich zu behalten? Nein, denn er hat sie Euch ja mitgeteilt, wie ich annehme. Also wurde er bezahlt, um etwas anderes für sich zu behalten, um denjenigen zu decken, der vor Quirini und dem Papst in der Villa gewesen war – den Mörder Maddalenas. Doch diesem Mörder war das Risiko eines Mitwissers zu groß. Sebastiano hat das geahnt, doch es war zu spät. Ihr werdet für Euer Schweigen Gründe haben, Carissimi, aber ich sage …«
Sandro erhob sich abrupt und stand Forli direkt gegenüber. Forli und Sandro schwiegen, Carlotta und Antonia blickten gespannt auf die beiden Männer.
»Ich werde Euch niemals wieder«, sagte Sandro mit ernstem Gesicht, »niemals wieder«, wiederholte er, »einen Esel nennen, Forli.« Damit hatte er, ohne es auszusprechen, zugegeben, dass Forli richtig kombiniert hatte.
Hauptmann Forli war sichtlich überrascht von dem Lob, so sehr, dass er sich sogar ein Lächeln abrang. »Oh, vielen Dank.«
»Gern geschehen. Ich bin bereit, Eurem Gedankengang zu folgen, Forli, dass nämlich Massa derjenige war, der Sebastiano bezahlt und getötet hat. Das Ganze hat nur einen Schönheitsfehler.«
»Welchen?«
»Wir können nichts davon beweisen. Sebastiano ist tot und beerdigt, er kann uns nicht mehr sagen, was er wusste. Die
Aufzeichnungen der Pforte von jenem Abend sind vernichtet. Alles, was wir haben, sind Theorien – und ein leerer Lederbeutel der Camera Secreta. Wenn ich damit vor den Papst trete, jagt er mich zum Teufel.«
Die Chöre schickten ein weiteres Halleluja in den Himmel, die Fanfaren jubilierten. In diesem Moment trat Sandros Diener ein. Er schien ein bisschen außer Atem. Vor sich balancierte er ein Tablett mit vier Bechern Kräutertee, die wirklich verführerisch dufteten und ihnen guttun würden. Er stellte es wortlos auf dem Schreibtisch ab, wobei Antonia bemerkte, dass er leicht zitterte. Dann schloss er die Fenster gegen den Lärm und ging auf leisen Sohlen wieder zur Tür hinaus. Antonia wunderte sich, dass er in der kurzen Zeit seiner Anwesenheit im Raum zweimal einen Seitenblick auf Carlotta geworfen hatte, ohne dass Carlotta es bemerkt hatte.
Eine große Stille trat ein, die mit der einsetzenden Dämmerung einherging. Es war, als würde ein dunkles Leichentuch über den Raum gebreitet.
Sandro schlug mit der Faust auf den Tisch, brachte die Gegenstände und Becher zum Vibrieren und schreckte Antonia und die anderen auf. »Verdammt«, rief er. »Verdammt, verdammt. Fast jeder hatte Gelegenheit, Maddalena umzubringen, und Sebastiano starb mitten in der Nacht. Wir sind noch nicht weitergekommen.
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