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Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom

Titel: Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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lebten. Dafür fand er sich in einer Welt wieder, die ihn dazu nötigte, die Ellenbogen zu benutzen, und manchmal mehr als die Ellenbogen. Nachdem sein Onkel und Förderer gestorben war, marschierten die Gegner auf, die immer schon gegen seine Beförderung in die Kurie gewesen waren. Gegen Intrigen wehrte er sich mit Intrigen, gegen feindliche Cliquen, indem er sich seinerseits Cliquen anschloss – und damit natürlich Verpflichtungen einging, von denen er sich vorher keine Vorstellung
gemacht hatte. Keine Tat war die letzte. Immer zog eine Tat eine andere Tat, eine weitere Feindschaft nach sich, bis er schon bald aufgegangen war in diesem gigantischen, klebrigen Gewebe, in welchem er nun eine Masche darstellte.
    Und die Dämonen kreisten. Fast jede Nacht.
    Sie kreisten auch noch, als er Papst geworden war, ja, sie schienen sogar proportional zu seiner Macht an Zahl und Schrecken zuzunehmen. Er betäubte sie mit Festen, Vergnügungen, und er erkannte den tieferen Sinn des Wortes Zeitvertreib. Er vertrieb sie tatsächlich, die Zeit, die Bedrückung einer bedrückenden Zeit. Der Rausch wurde sein Vergessen, wenn auch nur für ein paar Stunden.
    Und dann trat Maddalena in sein Leben. Er erinnerte sich nicht, jemals jemanden so stark geliebt zu haben wie diese Frau, nicht seine Mutter und Gott schon gar nicht. Als er bereits glaubte, er könne überhaupt nicht lieben, die Liebe sei etwas Geweihtes und deshalb Unerreichbares für ihn, kam Maddalena daher und zauberte die Liebe herbei. Sie sagte ein paar Worte, oder sie fuhr sich durch die Haare, und schon kam es ihm vor, als befinde er sich in einem anderen Leben, in einer anderen Haut. Die Stunden mit ihr in der Villa waren Stunden auf einem Schiff, irgendwo auf dem Ozean des Kolumbus, und Julius war allein mit ihr in dieser unermesslichen Weite, in der sie dahindrifteten. Dort war er nicht der Papst, nicht Julius III., er war Giovanni, ein junger Student in ihren Armen. Maddalena und die Liebe: Sie veränderten ihn, sie machten die Dämonen klein und fern und weniger furchtbar, sie gaben ihm die Hoffnung, dass ihm schließlich und endlich doch noch ein Glück vergönnt sei, das ihn die Jahre bis zu seinem Tod begleiten würde.
    Maddalena war Vergangenheit. Der Dämon über ihm, die würgende Schuld, die ihr Tod bei ihm hinterlassen hatte, war Gegenwart. Eine Gegenwart, die er von Tag zu Tag schwerer ertrug.

    Er hörte, wie sich hinter ihm die Tür öffnete, und wusste ohne hinzusehen, dass es Massa war, der eintrat. Massa hatte eine eigene, eine ekelhaft unterwürfige Art, sich in seine, Julius’, Nähe zu begeben. Julius wollte diesen wie bei einer Schildkröte eingezogenen Kopf seines Kammerherrn jetzt nicht sehen und blieb daher abgewandt von ihm stehen.
    »Wart Ihr dort, Eure Heiligkeit, bei Carissimi? Wie ist das Gespräch verlaufen, wenn ich fragen darf?«
    »Er hat Fragen gestellt, wie ich befürchtet habe.« Nicht er hatte das befürchtet, sondern Massa, aber Massa würde eher zehn Kröten schlucken, als ihm ein Mal zu widersprechen oder ihn auch nur geringfügig zu korrigieren. Julius hasste diese Kriecherei, gleichzeitig jedoch genoss er es, sich die Kriecherei ständig vor Augen zu führen, ja, sie herauszufordern. Das Gefühl, das er dabei empfand, war vergleichbar mit kaltem Badewasser im Winter – unangenehm und gleichzeitig erfrischend. Es rief eine unheimliche Wärme in ihm hervor.
    »Hat er etwas herausbekommen, Eure Heiligkeit? Habt Ihr Carissimi etwa gesagt...«
    »Nein.«
    Nach einer Weile, die Massa dazu benötigte, langsam näher zu kriechen, sagte er: »Eure Heiligkeit, ich frage mich, ob Carissimi der Richtige für diese Sache ist. Seine Qualitäten als Ermittler mögen vielleicht profund sein, aber er ist mir zu eigenständig, wenn Ihr versteht, was ich meine. Er könnte Dinge herausfinden, die ihn nichts angehen.«
    »Ich dachte, du hast Vorsichtsmaßnahmen getroffen?«
    »Dennoch: Er könnte gefährlich werden.«
    »Wem?«, fragte Julius streng. »Mir oder dir?«
    Damit brachte er Massa zum Verstummen – Kriecher wussten, wann sie zu schweigen hatten. Carissimi hingegen war kein Kriecher, kein Ehrgeizling, das hatte Julius schon in Trient bemerkt, und heute erneut, als der Bursche während des
Gesprächs die Grenzen des Möglichen ausgelotet und dabei riskiert hatte, sein Missfallen zu erregen. Bis an den Rand der Anmaßung war er gegangen. Dass er es gewagt hatte, sich auf den Prunkstuhl zu setzen – herrlich! Julius fing gegen seine

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