Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
für ein Jesuitenunfug? Manchmal geht Ihr mir mit diesem geistlichen Getue kräftig auf die Nerven.«
Sandro prüfte drei weitere Zeilen. »Ich war nicht immer Jesuit, Forli. Vergesst nicht, dass ich der Spross einer Kaufmannsfamilie bin, davon bleibt etwas an einem hängen, auch wenn man sich zweimal am Tag wäscht.«
»Und was soll mir dieses Gerede nun sagen?«
Sandro prüfte mehrere Einträge, legte ein Blatt zur Seite und sah Forli an. »Dass ich mich als Mönch mit Bibliotheken und Archiven auskenne, und als Kaufmannssohn mit Zahlen. Ich habe die richtigen Dokumente vorliegen, ich habe nur noch nicht die Wahrheit in ihnen gefunden.«
Forli lehnte sich zurück und ließ vier Fingerknöchel der rechten Hand knacken. Die trübe Aussicht, die Nacht mit staubigen Akten und einem in Rätseln sprechenden Mönch zu verbringen, anstatt mit Francesca Farnese das Tanzbein zu schwingen, mischte sich mit jenem bohrenden Unwohlsein, das ihn schon seit letzter Nacht quälte – was ihn zusätzlich nervös machte, denn normalerweise »quälte« ihn kein »Unwohlsein«. Das war etwas für Frauen und Künstler, nicht für Hauptleute, für Männer,
und dennoch machte es ihn nervös, nervös zu sein – ein geschlossener Kreis der Nervosität, in den er widerwillig und ganz gegen seine Denkweise hineingeraten war.
Loyalität war für Forli bis heute eine einfache Sache gewesen, ein gerader Weg, von dem es keine Abzweigungen gab und auf dem man sich nicht verirren konnte. Seit er Soldat geworden war, hatte seine Loyalität den Fürstbischöfen von Trient gehört, und nicht zu seinem Schaden. Und nun, wo er in Rom diente, gehörte sie selbstverständlich den Päpsten. Wenn er treu war und sich nicht dumm anstellte, würde ihm eine Karriere bevorstehen, die ihn nicht nur aus diesem hässlichen Gefängnis herausbringen, sondern in die Führungsriege der römischen Polizeitruppen führen würde, vielleicht sogar an deren Spitze. Es gab keinen Grund, an Massas Zusagen zu zweifeln, und es gab ebenfalls keinen vernünftigen Grund, den geraden Weg zu verlassen, den er immer gegangen war, den Weg des Gehorsams.
Trotzdem fiel er ihm diesmal schwerer. Massas Anweisungen waren im Namen des Papstes erfolgt, und sie waren eindeutig, und doch befolgte er sie nur halbherzig. Nicht nur, weil Tücke und Schliche – die er verabscheute, aber anwenden musste – ihm wie roher Kohl im Magen lagen, sondern auch aus einem Grund, der neben ihm saß, eine hässliche Kutte trug und sich momentan für Buchhaltung begeisterte. Carissimi machte es ihm verdammt schwer, ihn als Gegner anzusehen, denn er hatte zu viele Eigenschaften, die aller Ehren wert waren. Der Jesuit hatte zu Anfang seiner Ermittlungen in Trient Fehler gemacht, große sogar, zu denen er jedoch ohne Wenn und Aber gestanden hatte. Mit seiner Weigerung, Carlotta da Rimini foltern zu lassen, hatte er viel riskiert, und er hatte sein Leben aufs Spiel gesetzt, um Antonia Bender vor dem gleichen Schicksal zu bewahren. Weder Mut noch Scharfsinn waren ihm abzusprechen, und seine Nachforschungen waren so
unvoreingenommen, dass sie noch nicht einmal vor dem eigenen Vater haltmachten. Ausgenommen Carissimis gestriger Versuch, ihn, Forli, zum Gehilfen zu degradieren, gab es keinen Grund, ihm zu misstrauen.
Doch genau das war sein Auftrag. Und noch ein wenig mehr.
»Woran denkt Ihr, Forli? Ihr seht ein bisschen lädiert aus«, sagte Carissimi plötzlich, ohne von dem Papier, das vor ihm lag, aufzusehen. Offensichtlich erstreckte sich seine Fähigkeit zur genauen Beobachtung auch auf die Augenwinkel.
»Na und«, parierte Forli, »Ihr seht andauernd lädiert aus.«
Carissimi lachte. »Volltreffer«, sagte er.
Eine Weile verstrich, bis Forli sagte: »Ich habe an Euren Vater gedacht und daran, dass Ihr ihn verdächtigt.« Dieser Einblick in seine Gedanken war zumindest nicht ganz erlogen, und das Folgende war sogar die reine Wahrheit. »Ich habe seine Geschäfte überprüfen lassen. Da ist nichts Zwielichtiges dran, Ungesetzliches schon gar nicht.«
Carissimi blickte auf. »Seid Ihr sicher?«
»Normale Kaufmannsgeschäfte: Einschiffung und Weiterverkauf von Baumwolle, Seide und Parfüm. Er genießt einen guten Ruf, und er ist nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen.«
»Habt Ihr ihn gründlich überprüft? Wir haben erst gestern Abend darüber gesprochen.«
»Nicht jeder hat die Langsamkeit zum elften Gebot erhoben, Carissimi.«
Sandro Carissimi wandte sich wieder seinen Dokumenten zu,
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