Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom

Titel: Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
Vom Netzwerk:
während Forlis Finger erneut zum Angriff trommelten. Der stundenlange Anblick von eintausendfünfhundert Jahren Kirchengeschichte machte ihn schläfrig, und da er nicht zum neunundsechzigsten Mal an Francesca und zum vierundzwanzigsten Mal an Massas Auftrag denken wollte, lenkte er sich
mit der Überlegung ab, ob irgendwo zwischen den vielen Urkunden und Belegen auch von Petrus unterzeichnete Wechsel liegen könnten. Gerade als er zum Ergebnis kam, dass das vermutlich nicht der Fall war, weil man solche Wechsel wohl wie Knochen oder Zahnsplitter oder Barthaare der Heiligen behandelt und als Reliquien der staunenden Christenheit vorgeführt hätte, rief Carissimi plötzlich: »Da! Ich habe es gefunden.« Er hielt Forli eine Zahlenreihe vor die Augen, als wäre sie ein seit Urzeiten verschollener Goldschatz.
    »Was ist das?«, fragte Forli.
    »Das sieht man doch. Es ist der Beweis, dass die Apostolische Kammer vor sechs Monaten eine Barauszahlung an ein Bankhaus geleistet hat, und zwar in Höhe von viertausend Dukaten. Als Grund der Auszahlung wird angegeben: ›Ein Zehntel‹.«
    »Ich kenne mich damit nicht aus, Carissimi, aber es scheint mir ein üblicher Vorgang zu sein.«
    »Der Vorgang wäre tatsächlich üblich, denn die Apostolische Kammer leiht und verleiht Geld wie eine Bank – meistens leiht sie sich welches«, fügte er in leicht tadelndem Unterton hinzu. »Das Besondere an diesem Bankhaus ist jedoch, dass es den Namen ›Augusta‹ trägt.«
    »Die Edelsteinkette«, sagte Forli. »Die Juwelen bildeten den Namen Augusta.«
    »Ich habe eigentlich nach Zahlungen gesucht, die von der Apostolischen Kammer an Maddalena Nera gingen, doch stattdessen stoße ich auf Augusta.«
    »Bestimmt kein Zufall, diese Namensgleichheit.«
    »Ganz meine Meinung. Und bedenkt die Höhe der Summe, Forli – viertausend Dukaten, nicht Denare. Das ist ein Vermögen.«
    »Quirini«, sagte Forli, der nun wach war wie von einer Nadel gestochen. »Quirini steckt dahinter. Er hat das Geld der
Apostolischen Kammer benutzt, um Maddalena Nera den Erpresserzoll zu zahlen. Und als sie begriff, dass Quirini eine unerschöpfliche Geldquelle war, weil er als camerarius Zugriff auf die Geldmittel der Kirche hatte, hat sie noch mehr von ihm gefordert. Wir wissen zwar noch nicht, womit sie ihn erpresste, aber ich kann mir gut vorstellen, dass er das Geld der Kammer nicht zum ersten Mal veruntreut hat. Vielleicht hat er sogar das Geld für ihre Liebesdienste aus dem Kirchenschatz genommen, und vielleicht hat er ihr in einem unbedachten Moment davon erzählt. Von da an hatte sie ihn in der Hand.«
    Carissimi seufzte. »Ich fürchte, Forli, Ihr versteht mich nicht«, murmelte er so leise, dass man ihn kaum hörte.
    »Selbst wenn es nicht ganz so war«, sagte Forli verärgert. »Wir sollten Kardinal Quirini in die Zange nehmen.«
    Carissimi faltete das Dokument, das die Zahlung belegte, zusammen und steckte es in seine Kutte. »Dazu ist es noch zu früh. Es ist ja noch nicht einmal erwiesen, dass Quirini die Summe persönlich ausgezahlt und Maddalena sie erhalten hat. Wir haben viertausend Dukaten, die von irgendjemandem an irgendjemanden ausgezahlt wurden.«
    »Verdammt, Carissimi! Ich will den Fall so schnell wie möglich abschließen.«
    »Und ich will ihn so perfekt wie möglich abschließen.«
    »Wir hatten eine Abmachung.«
    »Die ich eingehalten habe. Wir sind in der Apostolischen Kammer, oder nicht? Und wir sind einen Schritt weitergekommen.«
    Forli kochte. »Wenn Ihr Quirini nicht befragen wollt, darf ich mir dann die Frage erlauben, wen Ihr stattdessen befragen wollt?«
    »Ich habe vor, meine Schwester Bianca zu befragen.«

18
    Ranuccio Farnese: gefährlich, mitleidlos und arrogant, mit dem Gesicht eines jungen Verbrechers aus dem Armenviertel. Das war Sandros erster Eindruck von seinem künftigen Schwager. Allerdings steckte dieses Gesicht, dieser Kopf, auf einem mit edelsten Seidenstoffen bekleideten Körper, wobei Ranuccio das Attribut »teuer« dem Attribut »elegant« eindeutig vorzog. Königsblaue Strümpfe, eine faltenreiche rote Tunika und ein weißer Überrock ließen ihn wie einen jener großen exotischen Vögel aussehen, die man aus der Neuen Welt her überbrachte und in Käfige sperrte, um sie zu bestaunen. Und tatsächlich wurde Ranuccio an diesem Abend von den Gästen diskret bestaunt, wenn auch nicht wegen seiner Kleidung. Das Fest war glanzvoller, als man es im Hause eines verarmten Adeligen hatte erwarten dürfen: die

Weitere Kostenlose Bücher