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Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom

Titel: Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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schloss mit zwei Sprüngen zu Milo auf, lief neben ihm her, sah ihn an und sagte: »Ich bin froh, dass du kein Bischof geworden bist.«
     
    Porzias Quartier lag in einem Haus, das anscheinend nicht mehr von Wänden, sondern nur vom Schimmel an den Wänden
zusammengehalten wurde. Weder an der Pforte noch an der Zimmertür waren funktionstüchtige Schlösser oder wenigstens einfache Riegel angebracht, und die jungen Burschen im Treppenaufgang sahen aus, als würden sie ihr Geld mit unverriegelten Zimmern verdienen, aus denen sie sich bedienten. Bei jedem Schritt trat man auf Mäuse- und Rattenkot, der wie Erbsen unter den Schuhen knirschte, und von so mancher Masse in der Ecke wollte Antonia sich gar nicht vorstellen, aus welchen Körperöffnungen sie einst herausgefallen war.
    Porzia selbst war nicht da, aber ein Hauswirt, aus dessen Unterkiefer nur noch ein einzelner Zahn wie ein grauer Grabstein herausragte, zeigte ihnen das Quartier. Nachdem Milo ihm eine Münze gegeben hatte, ließ der Alte sie allein, und Antonia sah sich ebenso neugierig wie betroffen um.
    Das Quartier bestand aus einem winzigen Zimmer, in dem ein groß gewachsener Mann wie Milo nur die Arme hätte ausstrecken müssen, um beide Seitenwände zu berühren. An der Stirnseite des Zimmers stand ein Bett, dessen Wäsche zerwühlt und unsauber war. Eine kleine Kleidertruhe, ein wackeliger Toilettentisch und ein Stuhl passten gerade eben noch so in den Raum hinein. Auf dem Tisch verteilt standen ein gesprungener Spiegel, ein abgedeckter Krug mit Rotwein, eine durchsichtige Flasche mit einer eklig aussehenden, bräunlichen Flüssigkeit darin und eine Schüssel mit Suppe, die nicht vollständig aufgegessen worden war und nun einem Schwarm Fliegen als Nahrung diente.
    »Hier möchte ich ungern auf sie warten«, sagte Antonia. »Mich juckt es schon überall, wenn ich mich nur umsehe.«
    »Also, was tun wir?«
    »Ich werde Sandro benachrichtigen.«
    »Sandro«, sagte Milo. »Das also ist der Mann, der Porzia finden will.« An der Art, wie er das sagte, merkte Antonia, dass er wusste, dass Sandro nicht nur der Mann war, der Porzia
finden wollte, sondern überdies der Mann, nach dem er sich vorhin erkundigt hatte. Der andere Mann.
    »Ja«, sagte sie. »Sandro muss erfahren, wo Porzia wohnt.«
    Milos Hand streichelte über ihren Arm und ihre Wange. »Wenn du willst«, sagte er, »kann ich das für dich erledigen.«

17
    Das Gedächtnis der Apostolischen Kammer war ihr Archiv, ein riesiger Raum des Erinnerns, bestehend aus monumentalen Regalen, beschrifteten Schubladen und unzählbaren Informationen. Die Regale bildeten düstere, von Büchern, Schriftrollen und Mappen flankierte Alleen. Weil es nur vier kleine Fenster gab, die zudem nie geöffnet wurden, hing der modrige Geruch des Verfalls in der Luft, zusätzlich beschwert von altem Staub und dem Gewisper der Kammerbediensteten, das wie ein gespenstisches Säuseln durch die Gänge wehte.
    Hauptmann Forli und Sandro Carissimi saßen, weit entfernt von jeder natürlichen Lichtquelle, an einem Pult, und Carissimi studierte die Dokumente, die er zuvor aus den Regalen gezogen hatte. Zeile für Zeile, Blatt für Blatt, Stapel für Stapel ging er alle Eintragungen durch. Forli, der nichts zu tun hatte, trommelte mit den Fingern auf das Pult. Manchmal unterbrach er kurz und lief unruhig im Kreis herum. Er hasste Herumsitzen, er hasste langes Schweigen, und er hasste diese Gebirge aus Wissen, die ihn umgaben. Was ihn an diesem Nachmittag jedoch am meisten umtrieb, war die Sorge, die abendliche Verlobungsfeier von Ranuccio Farnese und Bianca Carissimi zu verpassen. Francesca hatte ihn gestern, als er den Kaffee mit ihr zubereitet hatte, dazu eingeladen, und er wollte um nichts in der Welt versäumen, sie dort wiederzusehen.

    »Vielleicht habt Ihr die falschen Dokumente gegriffen«, schlug er zum vierten Mal an diesem Nachmittag vor.
    Und Sandro Carissimi antwortete, sehr langsam und ohne aufzusehen, zum vierten Mal: »Das glaube ich nicht.«
    »Wie könnt Ihr Euch da so sicher sein, verdammt? Ihr seid ein Mönch, kein Kontorist, und wenn wir es gleich so gemacht hätten, wie ich vorgeschlagen habe, wenn wir einen der Kammerbediensteten hinzugezogen hätten, wären wir aus dieser Gruft aus Zahlen längst wieder draußen.«
    Carissimi prüfte vier Zeilen von Einträgen, bevor er halb abwesend antwortete: »An Zahlen zu glauben, das ist, wie an Gott zu glauben. In ihnen liegt Wahrheit.«
    »Was ist das denn nun wieder

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