Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
verursachen. Sandro blieb gerne bei ihr, er mochte das Gefühl, von ihr gebraucht zu werden und ihr zu gefallen. Endlich konnte er einmal etwas für sie tun, wenn auch nur, an ihrer Seite zu stehen.
Sie unterbrachen ihre Unterhaltung, als sie sahen, dass Sebastiano
Farnese den Festsaal betrat. Er wurde sofort von seinem älteren Bruder Ranuccio und von Sandros Vater angesprochen, die beide versuchten, ihn in einen ruhigen Nebenraum zu drängen. Sebastiano schien es jedoch eilig zu haben und ließ sie stehen, mehr noch, er schüttelte Ranuccios Hand, die ihn an seiner Mönchskutte festhielt, energisch ab. Dann rannte er, zwei Stufen auf einmal nehmend, die breite Steintreppe ins Obergeschoss hinauf.
Die ganze Szene hatte nur wenige Atemzüge lang gedauert, und kaum einer der Anwesenden hatte Notiz davon genommen. Sandros Interesse war jedoch geweckt.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte er seine Mutter.
»Ich weiß es nicht, mein Junge, aber möglicherweise sorgt Sebastiano sich um Francesca. Ich habe dir ja gesagt, dass sie eine enge geschwisterliche Bindung haben.«
»Geht es Francesca nicht gut?«
Elisa sprach ein wenig leiser. »Sie hat wieder einen gesundheitlichen Rückschlag erlitten. An manchen Tagen ist sie so schwach, dass man glauben könnte, es genüge ein kurzes Pusten, um ihr Leben erlöschen zu lassen. Das macht mir großen Kummer. Ich bete jeden Tag zur Mutter Gottes.«
»Sie sollte ans Meer fahren, das lindert die Beschwerden.«
Elisa gab einen erbosten Laut von sich. »Ich wollte mit Francesca den letzten Sommer in Civitavecchia verbringen, aber Ranuccio hat ihr verboten mitzukommen.«
»Obwohl es ihr so schlecht geht?«
»Er beharrt darauf, dass Francesca in Rom bleibt, angeblich weil es hier die besten Ärzte gibt. So ein Unsinn! Die Wahrheit ist, dass er es genießt, das Familienoberhaupt zu spielen. Sebastiano hat er gezwungen, Dominikaner zu werden, und Francesca verweigert er den Eintritt in einen Orden. Ein Despot. Sieh nur, wie er sich betrinkt!«
Zu diesem letzten Vorwurf schwieg Sandro lieber, aber Tatsache
war, dass Ranuccio nicht nur viel trank, sondern auch, dass sich sein Gesicht dabei erschreckend veränderte. Alles Gefährliche und Gemeine darin trat hervor, während das bisschen Erziehung sich verflüchtigte. Er beschimpfte einen Pagen, der ihm angeblich Wein auf die Kleidung geschüttet hatte, dabei war Ranuccio selbst schuld daran gewesen. Und als der Tanz begann, schämte er sich nicht, mit einigen der Damen allzu intime Blicke und Berührungen zu tauschen. Die Gäste störte das nicht, im Gegenteil – der Abend war darauf angelegt, ins Frivole zu gleiten. Je mehr Zeit verstrich, umso lauter wurde gelacht und umso schneller wurde getanzt, und nachdem Sandros Mutter sich verabschiedet und den Palazzo verlassen hatte, brach Ranuccios letzte Selbstbeherrschung in sich zusammen. Er grölte und alberte nach allen Regeln des schlechten Geschmacks herum. Aus dem Tanz wurde ein bacchantischer Reigen, der die ganze Gesellschaft erfasste und von Ranuccio angeführt wurde. Seine unnatürliche, maßlos übersteigerte Heiterkeit trug etwas Unheimliches, Gewalttätiges in sich.
Für eine Weile achtete Sandro nicht mehr auf seinen zukünftigen Schwager und hielt nach Forli Ausschau, den er gleich nach ihrem gemeinsamen Eintreffen aus den Augen verloren hatte, und da er ihn nicht fand, suchte er anschließend nach Bianca. Als er sie im Festsaal nicht entdeckte, betrat er einen Raum, der daran angrenzte: Ranuccios Arbeitszimmer. Die Wände waren mit unzähligen Degen, Säbeln, Dolchen und Musketen bedeckt wie die Kajüte eines Seeräuberkapitäns. Dazwischen hing ein Gemälde, das vermutlich Ranuccios Eltern darstellte, denn die Ähnlichkeit zwischen Ranuccio und dem Mann auf dem Bild war unübersehbar: ein verlebtes, hochmütiges, abstoßendes Gesicht. Daneben die Mutter, ein Abbild der Resignation. Was half ein frisches, grünes Kleid, was halfen silberne Smaragdohrringe, wenn die grünen Augen
erloschen waren? Genau so hatte Sandro sich nach den Beschreibungen seiner Mutter dieses Paar vorgestellt.
Der Schreibtisch sah aufgeräumt aus, vermutlich, weil Ranuccio ihn so gut wie nie benutzte.
Die Tür zu einem anderen Zimmer stand offen, und Sandro hörte merkwürdige Geräusche von dort, die er nicht einordnen konnte. Es hörte sich an wie reißendes Pergament. Sandro näherte sich langsam dem Nebenzimmer, als plötzlich ein kurzer, halb erstickter Schrei in den Räumen
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