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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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du?«, nuschelte Wendelin
mit einem Grinsen, bei dem er all seine abgebrochenen Schneidezähne
entblößte und die imposante Zunge sich wie eine Nacktschnecke
dahinter wand. Dabei war er es doch, der ständig vor sich hin
stierte, wenn man ihm keine Beschäftigung gab.
    »Ich male mir nur aus, wie ich dir die freche
Zunge herausreiße«, antwortete Frank mit grimmigem
Gesichtsausdruck.
    Sofort fiel Wendelin das Lachen aus dem Gesicht,
der Unterkiefer sackte herunter und er zog das Genick ein. Beim
Versuch, seinen Kopf zu schützen, ließ er Bürste und Rad fallen,
wobei ihm das Rad auf die Zehen knallte. Heulend schlug er um sich,
bis er den Schuldigen erkannte und mit einem ungeschickten Tritt
bedachte. Das Rad landete auf der Nabe und kreiselte um die eigene
Achse. Zornig kniff Wendelin die Schlitzaugen zusammen und hüpfte
auf einem Bein, um seinen Fuß zu halten.
    Frank schüttelte unangenehm berührt den Kopf und
kletterte die Leiter herunter. Mit einer so heftigen Reaktion hatte
er nicht gerechnet. »Wendelin, du bist so blöde, dass die Engel
weinen. Glaubst du wirklich, dass ich dir wehtun will?«
    »Ä-ä«, stieß der Schwachsinnige heraus und
starrte schuldbewusst auf seine Füße. Ein Holzschuh lag eine Spanne
neben ihm, aus Schmerz davongeschnickt, und nun bewegte er seine
nackten Zehen, die schon rot anliefen. Ob er gar einen Zehenknöchel
gebrochen hatte? Das große, schwere Rad war zu diesem Zweck gebaut.
Frank schaute genauer hin. Matsch quoll zwischen den Gliedern hervor,
tief gruben sich die Zehen in den aufgeweichten Boden – sie
bewegten sich ganz normal, also schien nichts gebrochen zu sein. Das
beruhigte Frank, denn auch wenn ein verlorener Zeh kein großes
Unglück bedeutete, behagte ihm der Gedanke nicht, für Wochen einen
bei jedem Schritt jammernden Wendelin um sich zu haben.
    »Pass besser auf, wenn du mit so schweren Sachen
hantierst«, riet er ihm, worauf der Gehilfe mit weit aufgerissenen
Augen nickte.
    In der rechten Umgebung hätte der Bursche ein
lieber Kerl werden können, aber die ungehobelten Henkersknechte
machten sich ihre Späße mit ihm und trieben ihn oft dazu, sinnlose
Zerstörung und Gewalt auszuüben. Sie neckten ihn solange, bis seine
rohen Körperkräfte etwas zerstört hatten, woraufhin sie ihn zur
Strafe schlugen. An einem Abend in der Schenke, kurz nach Franks
Ankunft in Marburg, konnte Wendelin den Knüffen und Püffen seiner
Begleiter nicht ausweichen und zerbrach vor Wut laut kreischend einen
Holzkrug in seinen Pranken. Das aufschäumende Bier lief über die
Tischplatte und tropfte auf Franks Hose. Erst dann war der
Scharfrichter eingeschritten, hatte aber nicht seine Knechte
gemaßregelt, sondern Wendelin so heftig das Ohr herumgedreht, dass
es blutete. Unter Gelächter der anderen zerrte er den heulenden
Burschen am Ohr vor die Tür und stieß ihn in die Gosse, wo er den
Rest der Nacht verbrachte. Dem Geringsten unter den Henkersknechten
erging es selten besser.
    »Bring das Rad zum Schuppen und lehne es an die
Hinterwand, dorthin, wo es nicht im Regen steht. Und zieh dir vorher
wieder den Schuh an.«
    Grinsend, als ob nie etwas vorgefallen sei, nickte
Wendelin und schlüpfte mit dreckstarrendem Fuß in seinen Holzschuh,
bevor er unmelodisch ein Kirchenlied vor sich hin summend das Rad die
Böschung hinunter rollte. Der Kerl lebte schon zwischen den
Henkersknechten, seit er noch nicht über die Tischkante schauen
konnte, von seiner Mutter als Wechselbalg verstoßen. Wie üblich
wollte sie das Kleine Volk dazu bewegen, ihr Kind zurückzutauschen,
indem sie es schlug und hungern ließ, jedoch auch nach Monaten lag
jeden Morgen das Dämonenkind in der Wiege und nicht der
wohlgestaltete Säugling, von dem sie bei allen Heiligen schwor, ihn
zur Welt gebracht zu haben. Da sie schon einmal der Kindstötung
bezichtigt war und deshalb die Obrigkeit ein Auge auf sie warf,
traute sie sich nicht, das missgestaltete Kind zum Abfall zu werfen.
Zuerst hatte sie darauf gehofft, dass der Junge beizeiten starb, was
sich aber nicht erfüllte, weshalb sie ihn einem fahrenden Händler
mitgab. Gegen wenige Goldstücke verkaufte der ihn, sowie der Kleine
etwas tragen konnte, dem Scharfrichter, der Helfer brauchte, die
nicht viel nachfragten. Ottmar hatte ihn sogar gegen entsprechendes
Salär vom Pfarrer taufen lassen, weshalb der Trottel den
Gottesdienst besuchen durfte, was er auch tatsächlich gerne tat.
    So erledigte Wendelin stets alles, was man ihm
auftrug, zumindest dann, wenn

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