Die Huren des Apothekers
er die Aufgabe begriff. Auch die
Erfüllung seiner letzten Anordnung sollte Frank tunlichst
kontrollieren, denn zu oft kam dem Burschen ein plötzlicher Hunger
oder Durst dazwischen, die ihn ablenkten. Dann wusste er vielleicht
gar nicht mehr, was er gehießen war.
Dass ungestalte Kinder vom Teufel ausgetauscht
worden waren, bezweifelte Frank. Einige Hebammen, bei deren
Inquisition er zugegen war, hatten geschworen, dass so manches Kind
verkrüppelt auf die Welt kam und die Mütter sich nur herausredeten,
indem sie behaupteten, es sei schön geboren und vertauscht worden.
Mancher Buckel oder Klumpfuß käme durch einen Sturz, wenn eine
ungeschickte Mutter das Kind fallen ließ. Eine Hebamme hatte sogar
gewagt, Väter zu bezichtigen, die oft zu alt für gesunden Nachwuchs
seien, Gottes Strafe für lüsterne Greise. Wenn jemand wusste, wann
gelogen wurde, dann Frank, dessen Aufgabe es war, die Wahrheit
herauszufinden.
»Hast du den Pranger gescheuert?«
Die dunkle Stimme des Scharfrichters schreckte
Frank aus seinen Gedanken. Ertappt wandte er seinem Dienstherrn das
Gesicht zu.
»Scheuern? Weshalb das?«
»Weil die Schneidersfrau draufgekotzt hat,
während Gernot ihr den bloßen Arsch mit der Rute bestrich. Sieh zu,
dass der Idiot Wendelin die Brocken abkratzt, damit sich morgen
keiner der Zuschauer ekelt«, erklärte Ottmar gelangweilt.
Mit kritischem Blick schritt der Scharfrichter
über den Richtplatz, hielt Wendelin mit dem Rad auf und
kontrollierte selbst, ob es noch zu gebrauchen war. Schlecht gelaunt
schickte er seinen Gehilfen weiter und klapste ihm im Weggehen noch
auf den Hinterkopf. Ohne Abschied machte er sich wieder auf den Weg.
Vom Herrenhaus auf dem Lahnberg schallte dumpf die Turmuhr elfmal.
Wahrscheinlich befand der Henkersmeister sich auf dem Weg ins
Hurenviertel, wo er seinen Anteil einforderte und sich dabei noch ein
wenig Vergnügen machte. Nicht wegen der abzugebenden Kupferstücke,
sondern weil ihnen die Gefälligkeiten nicht gefielen, die ihr Herr
ihnen abverlangte, versteckten sich die Dirnen vor ihm, gingen sogar
die peinliche Strafe ein, wenn er sie erwischte.
Nein, lange hielt auch Frank es nicht unter einem
solchen Meister aus. Sobald er eine Spur von Bärbel fand, würde er
sich verabschieden.
Kapitel 2 –
Mumia vera aegyptiaca
Hilde plapperte ununterbrochen. Es fiel Luzia
schwer, eine Lücke zu finden, in der sie ihren Gästen einen
Leckerbissen aus Nesses Küche empfehlen konnte. Dafür konnte sie
selbst das Essen genießen, musste nur gelegentlich Frau Hilde
anschauen und verständig nicken. Der Hirschbraten war Nesse
vorzüglich gelungen und Luzia beschloss, den Jäger des Landgrafen
demnächst öfter um ein gutes Stück zu bitten. Nur musste sie ihn
wieder überreden, es unter der Aufsicht ihrer eigenen Köchin reifen
zu lassen – was sie nicht übertreiben wollte -, weil sie den
Gedanken nicht ertrug, dass auf ihrem Essen die Maden herumkrochen.
Er allerdings war der Meinung, erst dann entwickle sich der rechte
Wildgeschmack.
»Dein Gatte jagt?«, fragte Hilde und balancierte
auch ein Stück Fleisch auf ihrer Gabel. Man merkte ihr an, dass sie
selten Besteck benutzte.
»Nein, dazu fehlt ihm die Zeit«, antwortete
Luzia, nachdem sie ihren Brocken geschluckt hatte. »Der Landgraf
gestattet uns, von seinem Jäger die besten Stücke auszusuchen. Das
Fleisch wird in Buttermilch gebeizt«, fügte sie hinzu in der
Hoffnung, dass Hilde sich für Rezepte begeistern könne. Aber weit
gefehlt.
»Der Jäger des Landgrafen gehört auch zu den
Männern, die ihre Hände nicht bei sich selbst lassen können. Jetzt
hat er doch schon die wunderhübsche Tochter der Einhausener Bäckerin
geheiratet und noch immer ist nicht genug. Starrt der unverschämte
Kerl doch jedem Rock hinterher und treibt sich in dunklen Ecken
herum! Bei der Gesellschaft, in der er sich bewegt, ist das ja auch
gar kein Wunder. Ich sage immer …«
Lächelnd und nickend ließ Luzia das Geschwätz
an sich vorbeiziehen, steuerte gelegentlich ein »ah« und »oh« bei
und lauschte mit dem anderen Ohr dem Gespräch zwischen Lukas und
seinem Kollegen Weinzier, so wie es Magdalene schon die ganze Zeit
tat und dabei stumm auf ihren Teller starrte.
»… mit einer Formel aus diesem Büchlein« -
Lukas zog eine dünne Broschüre, die Luzia das letzte Mal neben
seinem Teleskop gesehen hatte, aus seiner Rocktasche und hielt sie
hoch - »berechnen, wo der Planet am nächsten Tag am Firmament
stehen wird. So wichtig auch die
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