Die Huren des Apothekers
verlassen hatte, dass sie jemanden treffen konnte,
der sich um sie bekümmerte. »Ich werde mich erkundigen. Heute Nacht
noch will ich im Schlafsaal herumfragen und morgen früh weiß ich
mehr. Wenn keines der Mädchen etwas sagen kann, muss ich es wagen,
zur Herrin zu gehen.«
Der starke Mann stand vor ihr wie ein kleines
Kind, das erwartete, ein Stück Kuchen geschenkt zu bekommen, und
knetete seine Hände vor der Brust. »Aber ich darf erst nach
Sonnenuntergang fort und muss vor Sonnenaufgang wieder da sein! Wie
werden wir da zusammenkommen?«
Elße blickte sich um. Unter der Hecke lagen die
Steine, die beim Graben herausgelesen wurden – eine beträchtliche
Anzahl, fast schon eine niedrige Mauer. Ein besonders heller, runder
Kieselstein leuchtete im Mondlicht.
»Kannst du lesen?« Er nickte. »Dann werde ich
dir ein Papier dort unter den Stein legen. Die Herrin hat einige
Bogen im Schreibzimmer, es wird ihr nicht auffallen, wenn einer
fehlt. Die meisten Mädchen können nicht lesen, also erwarte ich
keinen Argwohn bei ihr. Morgen nach Sonnenuntergang wirst du wissen,
was ich erfahren konnte. Und ich wünsche dir, dass ich eine gute
Nachricht überbringe.«
Er nickte hoffnungsfroh und ging dann den Weg
zurück zum Brunnen. Elße fürchtete den Anblick der Leiche und
hielt Abstand. Trotzdem beobachtete sie, wie der Mann das Kinn des
Knechtes auf den Brunnenrand legte und dann die Füße hochhob, damit
der Leichnam durch den Schnitt am Hals ausblutete wie ein Schwein.
Seine Muskeln wölbten sich mächtig, als er den Pumpenschwengel
betätigte und mit mehreren Eimern Wasser alles Blut fortspülte. Wie
einen Federsack warf er sich Endres‘ Körper über die Schulter und
stapfte davon. Noch einen Blick warf Elße ihm nach, bis sie sich
siedend heiß daran erinnerte, dass sie im Schlafsaal sein musste,
bevor die Gäste gingen. Die Turmuhr schlug schon zum zweiten Mal,
seit sie draußen war, also konnte es den fremden Herrschaften jede
Minute langweilig werden. Elße raffte die Röcke und rannte zum
Haus.
---
Schon wieder trat Luzia auf einen hervorstehenden
Stein des Waldwegs. Wohin hatte sich nur ihre katzenhafte Anmut
verabschiedet, ihr unfehlbarer Tritt? Nie wieder so viel Wein, und
wenn er noch so gesund war, schwor sie sich. Sie taumelte, bis Lukas
sie beim zweiten Versuch um die Hüften fasste und festhielt.
»Es wird Zeit, dass ich den Weg herrichten lasse.
Magdalene, wo bekommen wir jemanden her, der sich damit auskennt?«,
wandte er sich an seine Schwester, die mal rechts, mal links hinter
ihnen ging.
»Ich werde mich darum kümmern«, antwortete sie,
wobei sie nuschelte. »Niemals hätt ich gedacht, welch Umstand
dieser Umzug bringt.«
Liebevoll tätschelte Lukas den Arm seiner Frau,
sah auf das sich noch kaum vorwölbende Mieder und grinste anzüglich.
»An manchen Umständen ist nicht der Umzug schuld.«
Affektiert schlug Magdalene ihm auf das
Schulterblatt und er tat so, als ob er die Blendlaterne verlieren
würde, worauf sie erschrocken die Luft einsog. Lukas quittierte das
mit einem weiteren Grinsen. »Verzeih mir, Schwesterherz, aber im
Anschluss an einen so trockenen Abend verlangt es mich nach dem einen
oder anderen Scherz.«
»Trocken?«, spöttelte Luzia und schnupperte
auffällig an seinem Weinatem.
Lukas seufzte. »Entschuldige, Liebste, aber ich
konnte diesen Mann nicht ohne spirituelle Hilfe ertragen.«
»Womit du den Spiritus des Weines meinst.«
Magdalenes Zunge war heute spitz, aber auch Luzia
konnte nicht umhin, sich über ihre Gastgeber zu amüsieren. »Ich
traf noch nie ein so botmäßiges, anmaßendes Weib! Sie biederte
sich an wie eine Straßenhure, nur dass sie mit Tugend wucherte,
nicht mit ihren Reizen.«
Lukas prustete heraus. »Reize! So reizvoll wie
der Knüppelweg des Köhlers und genauso angenehm anzufassen!«
Seine beiden Damen kicherten, Magdalene musste
sogar stehenbleiben, weil sie vor Lachen nach Luft rang. Auch Luzia
hielt an, um sie nicht in der Dunkelheit abzuhängen. »Und du, mein
treuer Gemahl, nennst dich tatsächlich Busenfreund mit dem Leibarzt
des Landgrafen?«
»Pfft«, machte Lukas. »Busenarzt und
Leibfreund. Salerno wurde ein Hort der Unbedeutsamkeit, und selbst
dort gelten die Ansichten des werten Herrn als unmodern. Aus der
Medizin halte ich mich heraus, doch die Lehren des Paracelsus sind
selbst mir bekannt. Wer, wie jener lüsterne Leibarzt, Sulphur,
Merkurius und Sal als Stoffe für den Gerber bezeichnet, sollte seine
Finger aus der
Weitere Kostenlose Bücher