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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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am liebsten
im Erdboden verschwinden zu wollen.
    Luzia atmete tief durch. »Dann wärmt euch am
Herd auf, bevor ihr zurück in den Garten geht. Später wird Nesse
euch noch einmal zum Essen hereinrufen. Und du« - sie deutete auf
die Schwarzhaarige - »kommst bitte mit mir und hilfst mir in der
Bibliothek.«
    Sie ließ die Tür auf dem Weg offen stehen und
hörte, wie Trines Schuhe hinter ihr klapperten. Gut so, Trine durfte
auch hören, was sie zu sagen hatte.
    Magdalene erschrak heftig, als Luzia die
Bibliothek betrat, und starrte sie über die geöffneten Seiten eines
Buches an. Bevor sie es zuklappen konnte, hob Luzia beschwichtigend
die Hand, trotzdem legte ihre Schwägerin es zur Seite. Das Leder des
dicken Einbandes war mit Gold geprägt, es handelte sich um das Buch
über Kräuter und Heilmittel, das sie oft studierte.
    Als Zugeständnis an die Damen des Hauses hatte
Lukas eine kleine Tischrunde zwischen seine Bücherregale stellen
lassen, was ihn nicht hinderte, die bequemen Sessel selbst am
häufigsten zu nutzen. Luzia bedeutete Magdalene, sich zu ihr an den
zierlichen Tisch zu setzen. Zaghaft trat die Schwarzhaarige ein,
gefolgt von Trine, die sorgfältig die Tür hinter ihnen schloss.
    »Magdalene«, sagte Luzia ernst, »soeben erfuhr
ich Neuigkeiten über unsere Nachbarin.«
    Ängstlich riss die junge Frau die Augen auf. »Ich
habe nichts Schlechtes gesagt!«, rief sie aus.
    »Es geht dabei auch weniger um das, was gesagt
wurde«, unterbrach Luzia ihre Beteuerungen. »Magdalene, stell dir
vor, die Mädchen wurden vor Sonnenaufgang zum Arbeiten in unseren
Garten geschickt, ohne dass ihnen das Frühstücken gestattet wurde,
und seitdem schuften sie ohne Nahrung. Das soll bis zum
Sonnenuntergang so weitergehen. Ich will wissen«, sie wandte sich an
die Besucherin, »was auf dem Anwesen vor sich geht.«
    Verwirrt schüttelte Magdalene den Kopf. »Wer ist
das überhaupt?«
    »Elße aus Steinfurt«, stellte sie sich mit
einem Knicks vor, »und ich bin Frau Mechthild ausnehmend dankbar für
die Zuflucht.«
    Aufgeregt sprang Luzia aus ihrem Sessel und
wanderte auf und ab, bis ihr gewahr wurde, wie sehr sie damit das
Verhalten ihres Mannes nachahmte. Ihr enges Mieder behinderte die
Atmung, sie stützte sich auf die Lehne von Magdalenes Sessel. »Dann,
Elße, erzähle uns doch, wie Frau Mechthild euch behandelt.«
    Die junge Frau sah zu Boden und scharrte mit einem
Fuß. »Wir sind ihr dankbar«, kam es wieder leise.
    »Was soll das, Luzia?«, fragte Magdalene streng.
»Die Nachbarin verrichtet ein gottesfürchtiges Werk. Warum willst
du das Wort einer Hure gegen das ihre stellen?«
    Luzia schnappte vor Empörung nach Luft. Sie
wirbelte herum und deutete mit ausgestrecktem Finger auf die
Besucherin. »Elße aus Steinfurt, bist du eine Hure?«
    Entrüstet sperrte Elße den Mund auf und lief
knallrot an, ballte die Fäuste und spannte die Schultern, dann
jedoch schlug sie den Blick nieder und versteckte ihre Hände unter
der schmutzigen Schürze. Mit zusammengebissenen Zähnen schüttelte
sie den Kopf.
    »Also nicht«, stellte Luzia fest. »Du bist aber
unbestreitbar in einem unschicklichen Zustand. Wie kamst du dazu?«
    Die junge Frau wich einen Schritt zurück, doch
dann begann sie mit leisen Worten zu erzählen, von der unbotmäßigen
Großmutter und dem gierigen Onkel; ihrem kargen Leben mit der Mutter
und den vergeblichen Versuchen, den Besitz zu halten; wie sie im
verschneiten Wald Holz gesucht hatte und dabei von dem Marodeur
überrascht wurde. Dann der plötzliche Tod ihrer Mutter, der
einzigen Person, die zu ihr hielt, und wie der Vetter sie aus dem
Haus getrieben hatte. »Er ließ mich von seinen Söldnern jagen, bis
ich die Grafschaft verlassen hatte. Meine letzten Münzen gingen bei
der Flucht drauf und als ich das erste Gasthaus hinter der Grenze
betrat, besaß ich nur noch, was ich auf dem Leibe trug. Einige
Wochen behielt der Wirt mich als Schankmaid, bis mein Zustand zu
deutlich wurde. Seine Frau, die gute Seele, gab mir Wegzehr und
einige Gulden mehr, als ich bei ihnen verdient hatte, aber ich durfte
nicht bleiben. Damit kaufte ich eine Schiffspassage nach Süden und
schloss mich einer Gruppe Pilger zur Heiligen Elisabeth an, die mich
bei sich duldete und mir schließlich diese Zuflucht empfahl.«
    Luzia musste nicht hinsehen, sie wusste, dass am
Ende der Erzählung Tränen in Magdalenes Augen standen. Was es
bedeutete, die Gewalt eines Mannes auszuhalten, konnte Lukas‘
Schwester besser

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