Die Huren des Apothekers
und
präsentierte auf ihrer flachen Hand die golden schimmernde
Kostbarkeit. »Diesen?«
Er ließ den Zettel auf den Tisch fallen und
streckte die Hand aus. Wie eine Reliquie berührte er das Medaillon,
gleich darauf zuckten seine Finger zurück, als ob es glühend heiß
sei. »Woher …«, raunte er.
Die Nachbarin holte tief Luft. »Sie sind tot«,
brachte sie schließlich heraus.
Schwindel erfasste Elße, sie tastete hinter sich
und ließ sich ungebeten auf einen Stuhl sinken. Tränen schossen ihr
in die Augen. »Aber … wie …«
»Ich konnte meine Neugier nicht bezwingen und
musste unbedingt die gestern gelieferte Mumie sehen, weshalb ich bei
Frau Mechthild vorstellig wurde«, erzählte die Gelehrtenfrau. »Weil
sie mich abwies, schlich ich mich hinein und versteckte mich im
Keller. Was ich dort miterlebte …« Ihre Stimme erstarb, bis sie
erneut anhob und die schrecklichste Geschichte erzählte, die Elße
jemals gehört hatte.
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Luzia zitterte am ganzen Körper, teils vor Kälte,
teils aber auch, weil sie die grässlichen Bilder nicht verdrängen
konnte, die sich immer wieder vor ihre Augen schoben. Lukas murmelte
etwas und drehte sich herum, als sie sich neben ihn ins Bett legte.
Ob er wohl schon lange von seinem Turm heruntergekommen war? Sobald
ihre eisigen Füße ihn berührten, schlug er die Augen auf.
»Da bist du ja, Geliebte! Wo hast du nur
gesteckt?«
Noch einmal wollte Luzia nicht ihre Geschichte
erzählen, dazu lagen ihre Lider zu schwer auf den Augen, zumal auch
ihr Kreuz sich mit dem bekannten Ziehen meldete. Sie unterdrückte
ein Stöhnen und zwang ein Lächeln in ihr Gesicht, von dem sie
hoffte, dass es ihn beruhigte. »Mach dir keine Sorgen um mich«,
flüsterte sie ihm zu. »Ich konnte keine Ruhe finden und ging
spazieren.«
Anscheinend wirkte ihre Lüge, denn er schloss die
Augen und Sekunden später bewiesen seine tiefen Atemzüge, dass er
wieder schlief. So schnell vollbrachte Luzia das nicht. Ihr Körper
erwärmte sich nicht, obwohl Lukas neben ihr die Hitze einer Retorte
ausstrahlte. Das Erlebte konnte sie nicht aus ihrem Geist verbannen.
Immer wieder hörte sie die Schreie, sah das Blut herausschießen.
Doch das schlimmste war das knirschende Schmatzen des Apothekers und
das feuchte Klatschen, mit dem er die Überreste seiner Mahlzeit in
den Kessel geworfen hatte. Was sollte sie nur tun? Immer wieder
drehten sich diese Worte in ihrem Kopf, bis auf einmal die
Morgensonne in ihre Augen stach.
Wie es aussah, hatte sie doch
geschlafen. Neben ihr säuselte Lukas in die Kissen. Nein, ihn durfte
sie mit ihren Sorgen nicht belästigen. Er würde sofort sein Rapier
in einer Wolke aus Staub von der Wand reißen und wie ein wütender
Stier ins Nachbarhaus stürmen. Selbst wenn sie ihm den Hünen Frank
zur Seite stellte, zu zweit kamen sie nicht gegen die Knechte
Mechthilds an, wenn die Furie sie aufstachelte. Trotz dieser
Argumente zerriss ihr das Geheimnis die Seele, sie musste es ihm
erzählen. In guten und in schlechten Zeiten. Brachen jetzt die schlechten Zeiten an? Er würde zu ihr stehen. Und
sich selbst ins Unglück stürzen? Nein, sie musste schweigen.
Zumindest noch diese Nacht.
Dies war endlich einmal ein Fall, zu dem die
Inquisition zu Recht angerufen werden sollte, aber da Luzia wusste,
wie die Obrigkeit in solchen Fällen arbeitete, hütete sie sich
davor. Ein Bruchteil des Reichtums, den die Apothekerin in ihrem
Obergeschoss ausstellte, genügte, um alle weltlichen Richter zu
bestechen. Und die Kirchenmänner hatte sie jetzt schon mit ihrer
Frömmelei und vorgetäuschten Wohltätigkeit für sich eingenommen.
Diesem sauberen Paar die Untaten zu beweisen, würde schwer fallen.
Als entsetzlichstes Szenario malte Luzia sich aus, wie die
Jurisprudenz die Vergangenheit Magdalenes ans Licht zerrte, wie diese
gutherzige Frau erneut vor Gericht geschleppt wurde – allein mit
der Begründung, dass Gott nicht zulassen würde, den Richter eine
Unschuldige verurteilen zu lassen. Als ob diese Sicht der Dinge
jemals einen Funken Wahrheit enthalten hätte! Die Kirche strafte
sich selbst Lügen mit den vielen frommen Heiligenlegenden, die doch
alle von falschen Richtern unrecht verurteilt waren. Oder sollte
vielleicht auch Magdalene sich damit trösten, in dreihundert Jahren
heiliggesprochen zu werden?
Energisch schob Luzia ihre Beine aus dem Bett,
weil sie auf andere Gedanken kommen wollte. Gleich meldete sich ihr
Magen und wollte seinen Inhalt von sich geben. Viel konnte es
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