Die Huren des Apothekers
nicht
sein, weshalb mehrmaliges Schlucken und tiefes Durchatmen
verhinderten, dass Luzia sich übergab. Trotzdem stieg geräuschvoll
Luft empor. Schuldbewusst bemerkte sie ein unruhiges Seufzen von
Lukas und bewegte sich daraufhin leiser. Er arbeitete jede Nacht so
hart an seinen astrologischen Berechnungen, da wollte sie ihn nicht
vorzeitig wecken. Ob sie ihm doch alles sagte?
Sie lächelte und das erste Mal an diesem Tag
wurde ihr das Herz ein wenig leichter. Der Zettel, den der
Henkersknecht auf dem Tisch im Gesindehaus hatte fallen lassen, würde
Lukas freuen. Luzia hatte das astrologische Zeichen des Jupiters
darauf entziffern können, also handelte es sich wohl dabei um das
verschwundene Papier. Solange er seine Fibel von Tycho Brahe noch
nicht wieder bekam, mussten ihm seine Notizen reichen. Wie der große
Mann an den Zettel gekommen war und was die verschmierten Buchstaben
in roter Tinte bedeuteten, hatte Luzia nicht gefragt. Es gab
Wichtigeres.
Ihre Miene verdüsterte sich wieder. Was sollte
sie nur tun? Diesen Verbrechern im Nachbarhaus musste das Handwerk
gelegt werden. Ob es tatsächlich ein so guter Gedanke war, das
ungleiche Paar von gestern Abend im Gesindehaus einzuquartieren?
Luzia wünschte die beiden weit, weit fort. Welchen Schock es ihr
bereitet hatte, heimlich aus der Mördergrube zu fliehen und
unversehens diesem Hünen von Mann gegenüberzustehen! Zum Glück
hatte sie einen kühlen Kopf behalten und nicht gleich aufgeschrien.
Und die Idee, sie ins Gesindehaus zu bringen, erschreckte sie auch
nicht mehr. Sollten die beiden sich für ein paar Tage dort
verstecken, bis Luzia etwas Besseres einfiel.
Sie musste Lukas alles beichten. Nein, besser
nicht. Vorerst nicht. Und auf gar keinen Fall Magdalene.
Lautlos tauchte Luzia ihre Hände in das
bereitgestellte Wasser und wusch sich die Augen aus. Das Handtuch am
Waschgestell duftete zart nach Lavendel, was ihrem unruhigen Magen
wohltat. Dieses Jahr benutzte Trine noch Kräuter aus der Apotheke,
aber Magdalene hatte Samen aus der Provence besorgt, wo einer der
Schüler von Lukas bei einem Landadligen eine Position innehielt.
Astrologie galt dort, wie er in seinem Dankesschreiben für die
Vermittlung seiner Anstellung mitteilte, als Zeitvertreib der
besseren Gesellschaft, wodurch er reichlich zu tun bekam und regen
Kontakt zu französischen Edelfräulein pflegte. Schon als Student
sei er ein wahrer Schwerenöter gewesen, meinte Magdalene, die ihre
kostbaren Blütenpflanzen zum Frühjahr im Garten auszusetzen
gedachte. Auch wenn sie im hiesigen Wetter nicht zu üppigen Feldern
verwilderten, so sollte die Ausbeute genügen, die Wäsche zu
parfümieren und vor Motten zu schützen.
Luzia legte ihr Unterkleid ab und suchte aus der
Wäschetruhe ein frisches heraus, dann wusch sie auch ihren Körper,
weil sie sich vom gestrigen Abenteuer noch immer verschwitzt fühlte.
Trine würde sich beschweren, außerhalb des Waschtages schmutzige
Wäsche präsentiert zu bekommen, aber sie hielt Luzia sowieso für
zu penibel in Fragen der Sauberkeit. Auch das Oberkleid beleidigte
Luzias Nase, als sie daran schnupperte, und ihr Magen hob sich
wieder. Es roch nach Schlamm und Blut, sie vermeinte sogar den Geruch
der fremdländischen Öle festzustellen, die der ägyptischen Mumie
anhingen. Mit einem Schauder warf sie es zum Unterkleid und wählte
frisch gebügeltes Leinen aus der Kleiderkammer, das zum Abkühlen
über einem Gestell hing und heute gefaltet in den Schrank kommen
sollte.
Sie hatte sich noch nicht bemerkbar gemacht, da
betrat Rosa schon die Kammer und knickste, bevor sie Luzia mit dem
Schnüren des Mieders half.
»Die Herrin sagt, ich solle es nicht mehr so fest
ziehen«, entschuldigte sie sich nach kurzer Zeit bei Luzia.
Damit hatte Magdalene sicher nicht unrecht, also
nickte Luzia. Gemeinsam gingen sie die Treppe hinunter und Luzia
bekam ihren Kaffee schweigend von Nesse hingestellt. Müde griff sie
nach einem Kanten Brot und riss sich ein Stück davon ab, das sie
aber nur zerkrümelte, ohne es zu essen. Um sie herum werkelten die
Mädchen in ihrer üblichen Geschäftigkeit, halfen einander, lachten
und scherzten. All das würden die beiden Frauen nicht mehr tun, die
Luzia gestern tot gesehen hatte. Unendliche Traurigkeit überkam sie.
Ob sie sich auch so auf ihr Kind gefreut hatten, das sie nun nie
würden aufwachsen sehen? Schlimm genug, wenn der Herr die Mutter
früh zu sich nahm - eine Tragödie, das eigene Kind sterben zu
sehen. Wie konnte man ein
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