Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hurenkönigin (German Edition)

Die Hurenkönigin (German Edition)

Titel: Die Hurenkönigin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
Vom Netzwerk:
zwölf eine Hinrichtung haben …«
    »Doch, doch«, erwiderte die Zimmerin und bemühte sich um einen beiläufigen Tonfall. »Ich werde mal gucken gehen, was sich da so tut …«
    »Wir wären ja auch gerne hingegangen«, erklärte die Wirtsfrau mit Bedauern. »Aber wir müssen hierbleiben und unsere Arbeit machen. Wir rechnen nämlich mit gutem Zulauf, wenn die Hinrichtung vorbei ist. Nach so einer Gaudi sind die Leute immer hungrig und durstig. – Gott mit Euch, Offenbächerin, und viel Vergnügen!«
    Ursel hatte es eilig, nach draußen zu gelangen.
    Auf dem Weg zum Affentor kamen der Hurenkönigin immer wieder Menschen entgegen, die, ihren gehetzten Gesichtern nach zu urteilen, die anstehende Hinrichtung nicht verpassen wollten. Inmitten des Gedränges fiel Ursels Blick unversehens auf einen Mann mit grünem Lodenumhang und Filzhut, der in dem Menschenpulk an ihr vorüberzog. Sie blieb wie angewurzelt stehen und blickte angespannt hinter ihm her. Für kurze Zeit zog sie es sogar in Erwägung, ihm zu folgen, was sie jedoch rasch wieder verwarf. Die Menge hatte ihn längst wieder verschluckt. Außerdem war sie sich nicht sicher, ob sie den grüngewandeten Mann, der am Abend vor Isoldes Verschwinden im Frauenhaus gewesen war, überhaupt wiedererkennen würde. Nur für einen flüchtigen Augenblick hatte sie sein Gesicht gesehen, das überdies noch von der Hutkrempe, die er sich tief in die Stirn gezogen hatte, überschattet gewesen war.
    Verstört ging sie weiter. Zu ihrer Erleichterung ebbten die Menschenströme allmählich ab, und sie konnte freier ausschreiten.
    Als Ursel wenig später das Affentor passierte, vernahm sie aus der Ferne die Sturmglocke der Bartholomäuskirche, die die Vollstreckung des Todesurteils ankündigte. Der Hurenkönigin waren Hinrichtungen zutiefst zuwider, und die Gewissheit, dass die unglückselige Nonne in diesem Moment auf grausige Weise das Zeitliche segnete, vermochte es nicht, die Trauer über den Tod der Freundin abzumildern.

    Der Weg vom Affentor bis zum Anwesen des Freiherrn von Stockheim war weitaus länger, als Ursel es in Erinnerung hatte. Das letzte Mal war sie mit der Kutsche gefahren, was sich mühelos in einer halben Stunde bewerkstelligen ließ, und so hatte sie die Entfernung unterschätzt. Die hochstehende Sonne brannte unbarmherzig auf sie herunter, Ursel war schweißgebadet und ihre Kehle ausgetrocknet – was zu ihrem Plan durchaus passte.
    Nach einer guten Stunde Fußmarsch konnte die Hurenkönigin linker Hand endlich die hohe Steinmauer ausmachen, die den Riedhof umgrenzte. Sie war jedoch unerwartet lang, und als Ursel endlich vor dem Hoftor stand, hatte sie vor Anspannung und Erschöpfung weiche Knie. Mit bebenden Händen betätigte sie den Türklopfer und wartete mit angehaltenem Atem.
    Es verstrichen endlose Minuten, bis die Tür geöffnet wurde und die alte Magd sich mürrisch nach ihrem Begehr erkundigte.
    »Darf ich Euch um einen Becher Wasser bitten?«, erwiderte Ursel kurzatmig und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich komme aus Mörfelden und will in Sachsenhausen meine Schwester besuchen«, fügte sie mit erschöpftem Lächeln hinzu.
    Die Alte musterte sie griesgrämig und raunzte: »Na, für so einen weiten Marsch nimmt man sich doch Wasser mit! Erst recht bei dieser Hitze …« Unwillig erklärte sie: »Wartet meinethalben vor der Tür, ich bringe Euch welches raus.«
    Sie wollte Ursel schon wieder die Tür vor der Nase zuschlagen, als diese noch eine Bitte äußerte: »Darf ich mich vielleicht auf Eurem Hof ein bisschen in den Schatten setzen? Mir wird schon ganz schwarz vor Augen, und man ist ja auch nicht mehr die Jüngste …«
    Die alte Magd streifte sie mit argwöhnischem Blick. »Eigentlich darf ich keine Fremden hereinlassen. Aber ich will auch nicht, dass Ihr mir vor unserer Tür noch ohnmächtig werdet. Also kommt rein und setzt euch solange unter die Kastanie. Ich bin gleich wieder da.«
    Ermattet ließ sich die Hurenkönigin auf eine Holzbank unter der schattigen Krone einer mächtigen Kastanie sinken und blickte der Alten nach, die über den weiten gepflasterten Hof zu einem schlossähnlichen Gebäude eilte.
    Ursel ließ ihre Augen angespannt über die schmucke Frontseite mit den unzähligen bleiverglasten Fensterflügeln schweifen, die mit bunten Ornamenten und Wappen verziert waren. Das prächtige Gebäude wirkte wie ausgestorben. Auch rechts bei den Stallgebäuden war nichts und niemand zu entdecken. Weder ein Hofhund noch

Weitere Kostenlose Bücher