Die Hurenkönigin (German Edition)
herbei. Die werde ich mir dann mal vorknöpfen«, erklärte er mit grimmigem Lächeln.
Die Hurenkönigin ergriff spontan die Hand des Scharfrichters und drückte sie. »Ich danke Euch, Meister Jerg«, murmelte sie.
Dieser erwiderte den Händedruck und bemerkte sarkastisch: »Das kommt nicht oft vor, dass uns mal jemand die Hand drückt. – Ach, eh ich es vergesse, Zimmerin, da ist noch etwas, was ich Euch ausrichten soll.« Der Henker zog die zusammengewachsenen Augenbrauen hoch und tippte sich an die Stirn. »Ihr sollt euch für morgen Vormittag bereithalten. Da kommt der Stadtarzt, um euch alle in Augenschein zu nehmen. – Und wascht euch gefälligst vorher eure Büchsen!«, raunzte er derb und empfahl sich mit gutwilligem Lächeln.
An der Tür drehte er sich noch einmal zu der Hurenkönigin um. »Seid auf der Hut, Gildemeisterin«, brummte er mit besorgtem Gesichtsausdruck. »Der Pöbel da draußen ist euch zurzeit nicht wohlgesonnen. Ich habe das Gefühl, da braut sich was zusammen.«
Die Hurenkönigin nickte bekümmert. »Das Gefühl habe ich auch«, murmelte sie und füllte sich mit zittrigen Händen etwas Wasser in einen Becher.
4
Freitag, 22. Juli 1511
Am frühen Morgen des 22. Juli, dem Tag der heiligen Maria Magdalena, fand der Fischer Jockel Blum an der Uferböschung des mainabwärts gelegenen Fischerdorfs Niederrad eine Frauenleiche. Die Tote war in ein härenes Büßergewand gekleidet und trieb bäuchlings im Schilf. Als der Fischer mit Hilfe eines Kollegen die Leiche barg, stießen die Männer angesichts des grauenhaft entstellten Gesichts laute Entsetzensschreie aus.
»Da war’n wohl schon die Fische dran«, keuchte Blum, während sie den toten Körper ins Boot hievten.
»Oder die Wasserratten«, presste sein Helfer hervor und erbrach sich über den Bootsrand.
Die Männer ruderten hinüber zum Frankfurter Mainufer und verständigten die Bürgerpolizei. Gemeinsam mit den beiden Fischern hoben Büttel die Tote auf den Mainkai, um sie in Augenschein zu nehmen.
Selbst den abgebrühten Polizisten drehte sich beim Anblick der Verstümmelungen der Magen um.
»Da ist was auf die Stirn geritzt, sieht aus wie ein Wort«, murmelte einer der Schergen und wies auf eine Reihe von verschorften Linien unterhalb des Haaransatzes. Seine Kollegen nickten zustimmend und beschlossen, da sie allesamt des Lesens nicht mächtig waren, einen der Ihren nach dem Stadtphysicus zu entsenden, der die Tote ohnehin visitieren musste.
»Markus, dann geh doch auf dem Rückweg im Rathaus vorbei und bestelle dem Schultheiß, dass wir eine Wasserleiche gefunden haben«, ordnete der Dienstälteste an und hielt sich ein Tuch vor den Mund.
Ursel Zimmer befand sich mit mehreren Huren in der geräumigen, von der Stadt eigens für die Hübscherinnen errichteten Badestube im Kellergewölbe des Frauenhauses und schrubbte sich gründlich mit Wurzelbürste und Kernseife ab, als die schlaue Grid die Tür aufriss.
»Ursel, du musst sofort hochkommen! Es ist was Schlimmes passiert«, stammelte sie atemlos. Aus ihrem dezent geschminkten Gesicht war jegliche Farbe gewichen.
»Was denn?« Während Ursel sich mit flatternden Händen abtrocknete und das gelbe Gewand überstreifte, wurde sie von schlimmen Ahnungen geplagt. Oben in der Schankstube stieß sie bei den anwesenden Huren und dem Frauenhausknecht auf bestürzte Mienen. Alle hatten sich um Obergassenmeister Rack geschart, dessen Gesicht von teigiger Blässe war. Als Rack der Hurenkönigin ansichtig wurde, räusperte er sich und bemühte sich um einen sachlichen Tonfall.
»Grüß Gott, Zimmerin. Heute Morgen ist eine Frauenleiche im Main gefunden worden, und Ihr müsst mitkommen, um die Tote zu identifizieren. Denn … möglicherweise handelt es sich bei ihr um die … die vermisste Hure«, fügte er stockend hinzu. »Und … und trinkt vorher vielleicht einen Schluck Branntwein. Es ist nämlich kein schöner Anblick.«
Ursel war der Schreck derart in die Glieder gefahren, dass es ihr für einen Moment schwarz vor Augen wurde. Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken und verlangte keuchend nach Wasser.
»Heilige Muttergottes, steh uns bei!«, stammelte sie kurzatmig und nahm einen tiefen Schluck aus dem Trinkbecher. Doch als Josef anschließend mit der Branntweinflasche an den Tisch kam, um ihr einzuschenken, wehrte sie ihn nachdrücklich ab. »Keinen Tropfen, ich brauche einen klaren Kopf!«
Nachdem sie tief ein- und ausgeatmet hatte, erhob sie sich vom Stuhl, und
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