Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hurenkönigin (German Edition)

Die Hurenkönigin (German Edition)

Titel: Die Hurenkönigin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
Vom Netzwerk:
Rosis Beerdigung angesetzt, und die Rosen waren für ihr Grab bestimmt. Du sollst die Schönsten kriegen, dachte sie schwermütig. Ich glaube, ich kann erst wieder aufleben, wenn dein Mörder gefasst wird.
    Lautes Stimmengewirr, das vom Dempelbrunnen zu ihr herüberdrang, riss Ursel jäh aus ihren Grübeleien. Sie stellte den Korb ab und verließ den Garten, um nachzusehen, was passiert war.
    Mehrere Huren hatten sich auf dem Rand des Brunnens niedergelassen und hörten aufmerksam der schlauen Grid, der alten Irmelin und der Jennischen Marie zu, die vor ihnen standen und aufgeregt durcheinanderredeten. Als die Frauen die Hurenkönigin gewahrten, winkten sie ihr hektisch. Beim Näherkommen bemerkte Ursel einen Sack mit Zitrusfrüchten, der neben ihrer Stellvertreterin auf dem Boden stand.
    »Wir waren eben auf dem Markt, um Pomeranzen für Rosis Beerdigung zu kaufen«, erläuterte Ingrid. »Und wie man uns da behandelt hat, da fehlen einem die Worte!«
    »Wie Aussätzige!«, schimpfte die alte Irmelin.
    »Jetzt mal der Reihe nach. Was genau ist denn passiert?«, unterbrach Ursel sie angespannt.
    »Wir haben an einem Obststand die Waren begutachtet, weil wir außer den Pomeranzen noch Erdbeeren und anderes Obst kaufen wollten, da schnauzt uns doch dieses Marktweib an, dass man es auf dem ganzen Römerplatz hören konnte: ›Was ihr anfasst, müsst ihr auch kaufen! Die Waren, die ihr durch euer Angrapschen verunreinigt, kann ich anständigen Leuten ja nicht mehr verkaufen!‹«, berichtete Ingrid atemlos.
    »Wir waschen uns wahrscheinlich öfter die Hände als andere Leute, hab ich zu der gesagt«, entrüstete sich die alte Irmelin. »Aber sie hat gemeint, das hätte damit nix zu tun. Huren wären an sich schon unrein, und jetzt, wo wir noch die Geschlechtspest übertragen würden, müsste sie als Obsthändlerin halt auf der Hut sein.«
    »Die hat doch nur ausgesprochen, was alle denken«, warf die Jennischen Marie ein. »Ich meine, als Hübscherin ist man es ja gewohnt, dass man in der Öffentlichkeit blöd angegafft wird. Aber wie das Pack einen heute angeguckt hat, da hab ich mir gedacht, viel fehlt nicht mehr, und die stellen uns an den Pranger.«
    »Das habe ich auch so empfunden«, bestätigte die schlaue Grid. »Wir haben dann schnell unsere Pomeranzen bezahlt und uns davongemacht. Und sogar die alte Irmelin hat ausnahmsweise ihre Klappe gehalten und ist brav mit uns gegangen.«
    »Ich hab gedacht, wenn ich jetzt frech werde, dann lynchen die uns noch«, erklärte die Dienstälteste betreten.
    »Das war richtig so, altes Mädchen«, bekräftigte die Zimmerin und legte Irmelin den Arm um die Schultern. »Die brauchen immer einen Prügelknaben. Wenn die Pest ausbricht, heißt es, die Juden wären schuld, weil sie die Brunnen vergiftet hätten, und jetzt, wo die Geschlechtspest grassiert, sind halt wir Huren die Sündenböcke. Aber das wird sich schon wieder legen«, suchte die Hurenkönigin die Gildeschwestern zu beruhigen, obgleich sie selbst nicht recht daran glaubte.

    Die neunzehn gelbgewandeten Frauen der städtischen Hureninnung und ihre Gildemeisterin Ursel Zimmer standen um das offene Grab mit dem zugenähten Leichensack, der die sterblichen Überreste ihrer ermordeten Gildeschwester Roswitha enthielt, und weinten bittere Tränen. Hinter ihnen reihten sich die wenigen Männer, die der Verstorbenen die letzte Ehre erwiesen, Josef Ott, Bernhard von Wanebach und der städtische Henker Jerg Kalbfleisch. Mit Ausnahme des Scharfrichters hielten alle Trauergäste Rosen in den Händen. Viele der Huren trugen außerdem Pomeranzen bei sich, die sie der Verstorbenen nach der Aussegnung ins Grab werfen wollten, um ihr mit den kostspieligen Zitrusfrüchten ihre Wertschätzung zu bekunden. Pfarrer Roddach, der erst vor wenigen Minuten eingetroffen war, stand mit griesgrämiger Miene an der Stirnseite des Grabes. Er verlas in dürren Worten, wie bei Hurenbegräbnissen üblich, das Gleichnis »Jesu Salbung durch die Sünderin« aus dem Lukasevangelium, besprengte die Tote mit Weihwasser, warf die erste Schaufel Erde in das Grab und entfernte sich wieder.
    Die Huren bildeten hinter der Hurenkönigin eine Reihe, um von ihrer Gildeschwester Abschied zu nehmen. Während die Zimmerin mit tränenverschleierten Augen auf den Leichensack blickte, gelobte sie Rosi in aller Eindringlichkeit, sie werde ihren Mörder finden. »Friede deiner Seele!«, murmelte sie abschließend und warf eine langstielige rote Rose auf das erdbedeckte

Weitere Kostenlose Bücher