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Die Hurenkönigin (German Edition)

Die Hurenkönigin (German Edition)

Titel: Die Hurenkönigin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Bündel. Dann zog sie sich in den Schatten eines nahe stehenden Baumes zurück und ergab sich ihrer Trauer.
    Nachdem auch die übrigen Huren an das Grab getreten waren, versammelten sich alle um die Hurenkönigin, sanken einander in die Arme und ließen ihren Tränen freien Lauf. Auch die drei männlichen Trauergäste gesellten sich zu ihnen. Josef, der sichtlich ergriffen war, wurde von den Huren getröstet, Bernhard von Wanebach legte mitfühlend den Arm um seine Geliebte.
    Der Henker stand ein Stück abseits und starrte mit finsterer Miene vor sich hin. Obgleich er fern davon war, am Grabe einer Hübscherin eine Träne zu vergießen, war es ihm doch anzumerken, dass ihn die Beisetzung betrübte, und als die Hurenkönigin verkündete, man werde nun aufbrechen, um im Frauenhaus Rosis Leichenschmaus abzuhalten, wirkte er erleichtert.
    Die Trauergesellschaft hatte schon fast die Friedhofspforte des Peterskirchhofs erreicht, da kam ihnen von dort Gassenmeister Rack entgegen. Der korpulente Mann eilte auf die Hurenkönigin zu und schüttelte ihr die Hand.
    »Mein Beileid«, murmelte er atemlos.
    »Dank Euch, Gassenmeister«, erwiderte die Zimmerin. »Darf ich Euch vielleicht im Namen der städtischen Hurengilde zu dem Leichenbegängnis einladen, das wir zu Ehren von Rosi im Frauenhaus abhalten?«
    »Daran werde ich nicht teilnehmen können, Zimmerin«, erklärte Rack bedauernd. »Und Ihr wahrscheinlich auch nicht.«
    Die Hurenkönigin war stehen geblieben und blickte ihn erstaunt an. »Wieso denn das?«
    »Weil der Hausierer heute Morgen in der Wetterau festgenommen wurde. Sie haben ihn vorhin ins Leinwandhaus gebracht, und jetzt soll er verhört werden. Ihr sollt kommen und ihn Euch anschauen, ob er auch der ist, der wo der letzte Freier von der Rosi war«, erklärte der Gassenmeister aufgeregt.
    Ursel war verstört von der unerwarteten Neuigkeit. »Jetzt gleich?«, fragte sie.
    »Ja, wir müssen uns beeilen. Die hohen Herren warten schon. – Ach, und eh ich’s vergess: Ich soll Euch vom Herrn Bürgermeister bestellen, dass morgen zur elften Stunde eine Siechenmagd ins Frauenhaus kommt, um die Huren zu visitieren«, fügte Rack hinzu.
    Die Hurenkönigin runzelte die Stirn. »Auch das noch!«, murmelte sie unwirsch und wandte sich an die Huren. »Ich fürchte, ihr müsst den Leichenschmaus ohne mich abhalten«, erklärte sie und folgte dem Gassenmeister durch die Friedhofspforte.
    »Gut, dass sie den Kerl jetzt haben! Vielleicht ist das ja Rosis Mörder«, murmelte Josef hinter ihr.
    Die Zimmerin wandte sich zu ihm um. »Vielleicht aber auch nicht!«, erwiderte sie.

    Der städtische Untersuchungsrichter Lederer, Bürgermeister Reichmann und die drei Ratsherren Fichard, Neuhaus und Holzhausen blickten die Hurenkönigin ungeduldig an.
    Die Zimmerin stand noch immer schweigend in der Kerkerzelle und fixierte den in Ketten gelegten Mann, der zusammengesunken auf dem Boden kauerte. Ihr Blick wanderte über seine großen, angstvollen Augen, das ausgemergelte Gesicht mit der wettergegerbten Haut, den eingesunkenen Mund mit den Zahnstummeln. Dem ist nicht viel geschenkt worden in seinem Leben, dachte sie und tat sich schwer damit, zu bekunden, was sie vom ersten Augenblick an gewusst hatte: Das war der Mann, den sie damals noch kurz vor der Sperrstunde zu Rosi geführt hatte. Sie wusste aber auch, dass ein armer Teufel wie er kaum eine Chance haben würde, den Kerker jemals wieder zu verlassen. Und sie würde mit ihrer Aussage dazu beitragen. Sieht so einer aus, der eine Frau bis aufs Blut quält?, fragte sie sich immer wieder skeptisch. Einer wie der hat doch selbst schon genug Prügel bezogen …
    Schließlich atmete die Zimmerin tief durch und sagte: »Ja, das ist der Hausierer, der nach Rosi gefragt hat.«
    »Na also!«, triumphierte der Untersuchungsrichter. Auch die Herren des Rates schienen erleichtert zu sein.
    »Danke, Zimmerin, Ihr könnt dann gehen«, beschied der Schultheiß die Hurenkönigin und wandte sich an den Untersuchungsrichter: »Dann beginnt jetzt mit dem Verhör, Lederer.«
    »Mit Verlaub, aber ich möchte bei der Befragung dabei sein«, erklärte Ursel entschlossen. »Schließlich bin ich die Vorsteherin der städtischen Hurenzunft, und es geht um den Mord an unserer Gildeschwester.«
    »In Gottes Namen«, knarzte Reichmann ungeduldig. »Aber haltet Euch bitte zurück!«
    Nachdem die Zimmerin seitlich des Tisches, hinter dem Lederer und die Herren des Rates saßen, Platz genommen hatte, begann der

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