Die Hurenkönigin (German Edition)
neidisch auf dich, und wenn nicht, blicken sie auf dich herab. Und das ist doch erst recht nichts. Nimm mit, was du mitnehmen kannst, und leg dir rechtzeitig was beiseite. Dann musst du auf deine alten Tage nicht mehr anschaffen gehen, das ist nämlich auch kein Vergnügen …«
»Das wird mir schon nicht widerfahren«, entgegnete Isolde zuversichtlich und wünschte der Hurenkönigin einen guten Tag.
Als Isolde in der Badestube allein war, fühlte sie unversehens eine tiefe Wehmut. Vorhin wäre sie der Hurenkönigin am liebsten in die Arme gesunken und hätte sie angefleht, sie festzuhalten und zu beschützen. Vor der Leere und dem Überdruss, die von ihrer Seele Besitz ergriffen hatten. Doch für so etwas war sie einfach zu befangen.
»Ich glaube dem Mann«, beendete die Hurenkönigin ihre Ausführungen und blickte Bernhard von Wanebach eindringlich an. »Mein Gefühl und meine Menschenkenntnis sagen mir, dass er unschuldig ist. Doch dieser herzförmige Ring mit den sieben Schwertern, den Balzers Auftraggeber getragen hat, gibt mir sehr zu denken. War der Mörder vielleicht ein Marienverehrer?«
Der Gelehrte stimmte zu. »Davon ist auszugehen. Das Herz mit den sieben Schwertern ist ein Symbol für die Schmerzensmutter und steht für die sieben Schmerzen Mariens. Neben zahlreichen Marienverehrern, die das Symbol als Schmuckstück oder Amulett tragen, gibt es auch eine geheimnisvolle Vereinigung, die sich ›Bruderschaft der sieben Schmerzen Mariens‹ nennt. An die habe ich sofort denken müssen, als du mir von dem Ring erzählt hast. Die Mitglieder dieser Bruderschaft tragen nämlich derartige Ringe an der linken Hand. Es sind durchweg Standespersonen und hohe kirchliche Würdenträger, die der Marienbruderschaft angehören. Du erwähntest doch, dass besagter Ring dem Hausierer so kostbar vorkam?«
Ursel, die angespannt zugehört hatte, bekräftigte das. »Es könnte sich also durchaus um das Emblem der Bruderschaft gehandelt haben …«, grübelte sie.
»Ich halte es zumindest nicht für abwegig«, sagte Bernhard vorsichtig, der nicht wollte, dass sich Ursel wieder in etwas verstieg, und warf der Geliebten einen besorgten Seitenblick zu. »Das mit den Teufelsanbetern hätte auch ganz schön ins Auge gehen können …«, grummelte er. »Wenn ihr da an echte geraten wärt und nicht an solche Kindsköpfe, hätten die euch ohne viel Federlesen kaltgemacht, weil ihr ihnen auf die Schliche gekommen seid.«
»So leicht lass ich mich nicht außer Gefecht setzen! Und der Josef auch nicht«, begehrte die Zimmerin auf.
»Überschätze dich nicht, meine Liebe! Rosis Mörder ist eine Bestie. Da gebe ich dir völlig recht. Und deswegen solltest du auch sehr vorsichtig sein mit etwaigen Alleingängen. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für voreilige Verdächtigungen …«, sagte Bernhard ernst.
»Nur weil ich dieser neuen Spur nachgehe, sind das doch noch lange keine voreiligen Verdächtigungen«, entrüstete sich Ursel. »Ich wollte doch nur mit dir darüber sprechen und deinen Rat hören. Doch das bereue ich inzwischen fast.«
»Nein, das brauchst du nicht! Es ist gut, dass du mit mir darüber sprichst. Ich möchte nur nicht, dass du dich in Gefahr begibst. Das ist alles. Ansonsten kannst du in der Angelegenheit voll mit mir rechnen. Ich werde dich bei deinen Ermittlungen unterstützen, so gut ich kann. Ich weiß doch sowieso, dass du nicht davon ablässt, du stures Luder!« Bernhard lächelte die Hurenkönigin entwaffnend an.
Diese küsste ihn herzhaft auf die Wange. »Du bist ein Schatz!«, sagte sie erfreut. Dann wollte sie wissen: »Gibt es eigentlich auch in Frankfurt Mitglieder dieser Bruderschaft?«
»Soweit mir bekannt ist, ist den hochstehenden Persönlichkeiten sehr daran gelegen, die Namen der Mitglieder geheim zu halten. In Klerikerkreisen wird sogar gemutmaßt, der Papst persönlich gehöre dem erlauchten Zirkel an. Die Statuten der Bruderschaft verlangen von ihren Mitgliedern ein Leben in absoluter Keuschheit und Askese. Mehr weiß ich nicht über diese Marienbruderschaft. Wenn es dir aber so wichtig ist, kann ich mich demnächst einmal umhören.«
»Das wäre ganz lieb von dir. Ich muss jetzt aber gehen, denn um elf Uhr kommt die neue Siechenmagd, um mit mir gemeinsam die Mädels zu visitieren.« Die Hurenkönigin erhob sich und verabschiedete sich von Bernhard, der sie zur Tür begleitete.
»Und halt mich auf dem Laufenden«, raunte sie ihm beim Hinausgehen zu.
Als Ursel den Römerplatz
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