Die Hurenkönigin (German Edition)
überquerte und an der Nikolaikirche vorbeikam, vor der Reliquienhändler ihre Devotionalien feilboten, trat sie näher, um die Gegenstände in Augenschein zu nehmen. Tatsächlich wurde das Herz mit den sieben Schwertern in sämtlichen Variationen angeboten, auch in Form von Ringen. Sie sah auf den ersten Blick, dass es billiger Tand war, und leichte Zweifel stiegen in ihr auf, ob ein einfacher Mann wie der Hausierer in der Lage war, zwischen billigem Ramsch und kostbaren Kleinodien zu unterscheiden. Beim Weitergehen kam der Hurenkönigin der Gedanke, ob nicht jene honorigen Kirchenleute dahintersteckten, die für die Schließung des Frauenhauses plädiert hatten. Sicher, es war wahnwitzig, die Ordensleute mit einem so grauenhaften Mord in Verbindung zu bringen. Aber konnte nicht das nötige Quäntchen Hass aus einem Moralapostel einen Mörder machen? In aller Deutlichkeit sah sie Pfarrer Roddachs hassverzerrtes Gesicht während seiner Hetzpredigt in der Kirche vor sich, und der Verdacht erschien ihr mit einem Mal gar nicht mehr so abwegig. Hier wohnt die Sünde , hatten die Worte an der Tür des Frauenhauses gelautet. Und es war eine Nonne gewesen, die Bernhard das Schriftstück vor die Tür gelegt hatte! Stand nicht in der Heiligen Schrift geschrieben: Die Sünde muss man ausmerzen?
Was, wenn der angenagelte Katzenkadaver bereits eine Vorankündigung des Mordes gewesen war? Die Büßerin! Die tote Rosi war in ein Büßergewand gekleidet gewesen, und ihr Leichnam wurde am Jahrestag von Maria Magdalena aufgefunden … Und dieses Pack wollte uns doch in ein Magdalenenhaus abschieben!
Ich habe einen Fehler gemacht, fiel es der Zimmerin wie Schuppen von den Augen. Die selbsternannten Teufelsanbeter hatten sich als Schafe im Wolfspelz erwiesen. Rosis Mörder aber war das Gegenteil! Die Statuten der Bruderschaft verlangen von ihren Mitgliedern ein Leben in absoluter Keuschheit und Askese , gingen ihr Bernhards Worte durch den Sinn. Das passte doch! Sie war gespannt darauf, was Bernhard über diese Marienbruderschaft herausfinden würde.
Wie alle städtischen Huren musste sich auch Isolde an die Kleiderordnung halten und in der Öffentlichkeit ein gelbes Gewand tragen. Was sie jedoch an Schuhen, Kopfbedeckungen und Accessoires trug, war ihr freigestellt. Und so streifte sie sich an diesem Morgen Stelzenpantoletten aus türkisfarbenem Chagrinleder über die Füße und setzte eine zylinderförmige Haube aus Goldbrokat auf. Zum Abschluss bestäubte sie ihr ebenmäßiges Gesicht mit einem Hauch Mehl, bestrich die Lippen mit purpurfarbenem Balsam und verließ ihre Kammer. Falls sie auf dem Flur jemandem begegnete, würde sie allen sagen, sie mache Besorgungen. Doch Isolde gelangte unbemerkt nach draußen.
Mit ihrer eleganten Aufmachung und der Anmut ihrer Bewegungen war sie für die Bürgersfrauen ein Blickfang und eine Provokation zugleich. Die Gräfin ignorierte die Blicke mit kühler Gelassenheit. Als sie die Mainbrücke erreichte, erwartete sie dort schon der berittene Diener des Freiherrn. Er hatte ein zweites Pferd bei sich und half ihr geschickt beim Aufsteigen. Isolde ließ sich auf dem Damensattel nieder, ergriff die Zügel und trieb ihr Pferd sachte an. In gesetztem Trab ging es über die Brücke, auf der bereits ein reges Treiben herrschte, und in verschärftem Tempo ritten sie durch die Brückengasse zum Affentor hinaus in den Sachsenhäuser Forst, in welchem sich das Jagdschloss des Freiherrn befand. Isolde, die im Umgang mit Pferden geübt war, liebte das Reiten und donnerte in einem derart wilden Galopp über den vom Regen der vergangenen Tage morastigen Waldboden, dass ihr der aufspritzende Schlamm die Schuhe und das Gewand besudelte. Egal, dachte sie übermütig und spornte die Stute noch weiter an, so dass der Diener Mühe hatte, mitzuhalten. Stundenlang hätte sie so weiterreiten mögen, an den hohen Tannen vorbei, und tief den würzigen Geruch des Waldes einatmen. Sie wollte sich unbedingt ein Pferd zulegen, wenn sie sich nächstes Jahr zur Ruhe setzte, dann könnte sie stundenlange Ausritte unternehmen und allein durch die Wälder streifen, und aller Ekel und Verdruss würden von ihr abfallen und sie nicht länger am Leben hindern.
Doch leider war der Ritt bald zu Ende, denn zwischen den Tannen lugte bereits das Jagdschloss hervor. Der Diener half ihr vom Pferd, vertäute die schweißnassen Tiere unter einem Vordach und führte Isolde ins Schloss.
Der Freiherr kam ihnen schon in der Halle entgegen
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