Die Hurenkönigin (German Edition)
trübselig an ihrer Seite saß und vor sich hin brütete. »Ich dachte, die Stadt hat öffentlich verkünden lassen, dass wir seit heute wieder geöffnet haben?«
»Glaub schon …«, brummelte die Hurenkönigin einsilbig. Sie war mit ihren Gedanken ganz woanders.
»Mein Gott, du hast vielleicht eine Laune!«, beklagte sich Grid.
»Deine ist auch nicht viel besser«, erwiderte die Hurenkönigin und schob ihren Teller beiseite.
»Du hast ja noch nicht einmal deinen Pfannkuchen gegessen!«, murrte Ingrid. »Wo ich doch die Blaubeeren extra für dich gekauft habe …«
Die Zimmerin musste unwillkürlich lächeln. Sie wusste nur zu gut, dass die Freundin immerzu auf ihr leibliches Wohl bedacht war. »Ist ja lieb gemeint, aber ich habe wirklich keinen Hunger«, erklärte sie versöhnlich und legte Grid die Hand auf den Arm.
Grid nahm die freundschaftliche Geste zum Anlass, die Hurenkönigin endlich zur Rede zu stellen. »Ursel, was ist denn los? Seit du von dem Verhör gekommen bist, bist du ungenießbar!«
»Das stimmt nicht!«, verteidigte sich die Hurenkönigin. »Ich habe euch gesagt, dass ich glaube, dass der Mann unschuldig ist. Aber das hat euch nicht weiter interessiert – und dann habe ich halt den Mund gehalten …«
»Was heißt, nicht interessiert? Wir haben nur Zweifel daran geäußert. Ich meine, wie kannst du dir denn da so sicher sein? Man kann doch in einen Menschen nicht hineingucken, und erzählen kann der viel …«, ereiferte sich Grid.
»Mit Männern kenn ich mich aus«, unterbrach sie die Hurenkönigin energisch. »Und dieser Hausierer wäre zu so einer Tat gar nicht in der Lage. Das ist ein ganz armer Hund, dem das Leben schon früh das Rückgrat gebrochen hat. Der ist ja schon froh, wenn er selber ungeschoren davonkommt. Aber der Richter hat alle meine Einwände vom Tisch gefegt. Dem hohen Herrn kommt es halt sehr gelegen, in dem Hausierer den Mörder von Rosi zu sehen … Aber dass auch ihr euch so auf den Balzer eingeschossen habt, das enttäuscht mich doch sehr!«
Mit einem Mal wurde die Tür geöffnet, und ein Mann trat in den Schankraum. Wie ein Jäger oder Waldaufseher trug er einen dunkelgrünen Filzhut, den er tief in die Stirn gezogen hatte, und einen gleichfarbigen Umhang. Er blickte sich suchend um.
Schlagartig richtete sich die Aufmerksamkeit der Huren auf ihn. Auch die Hurenkönigin hatte aufgehört zu sprechen und starrte auf den grüngewandeten Mann, der angesichts der derben Lockrufe, die einige der Huren von sich gaben, verlegen den Blick senkte.
»Berthold, ich bin hier!«, rief plötzlich die Gräfin vom anderen Ende des Tisches, erhob sich von ihrem Stuhl und ging auf den Fremden zu. Bei ihrem Anblick hob er erleichtert die Hand zum Gruße.
»Komm, wir gehen auf mein Zimmer«, raunte ihm die Hübscherin mit den hochgesteckten blonden Haaren zu, hakte sich bei ihm unter und verließ unter den neidvollen Blicken ihrer Kolleginnen den Aufenthaltsraum.
»Das verdammte Aas schleppt aber auch jeden ab!«, fluchte die alte Irmelin. »Ich dachte, die steht nur auf feine Pinkel … Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen, und da darf’s auch mal ein Holzhacker sein.«
»Grad ist man schon froh, wenn überhaupt mal einer reinkommt, und dann muss er auch gleich mit dieser Gans abschieben, anstatt dass er sich was Handfesteres sucht«, murrte die rote Mäu, eine kräftige junge Hure mit rotblonden Haaren, verdrießlich und schenkte sich noch Wein nach.
»Hört auf zu maulen und seid froh, dass sich endlich mal ein Kerl zu uns verirrt hat«, schaltete sich die Zimmerin ein und aß jetzt doch ein Stück von ihrem Pfannkuchen. Im gleichen Augenblick waren Stimmen und Schritte vor der Tür zu hören, und ein ganzer Trupp Zimmermannsgesellen kam herein.
»Sach ich doch! In der Not darf’s auch mal ein Holzhacker sein …«, flachste die alte Irmelin und gurrte kehlig in Richtung der Handwerksburschen: »Kommt nur her, Jungs, die reifsten Pflaumen schmecken am süßesten …«
Im Nu hatten sich die Männer, von allen Seiten umgarnt, an einem der Schanktische niedergelassen und schäkerten eifrig. Josef brachte den Gesellen Krüge mit frisch gezapftem Bier, und die Trübseligkeit der Huren hatte sich in Luft aufgelöst. Bald schon verschwanden die Ersten mit einem Galan in ihren Kammern, und selbst die Zimmerin war bei all ihren düsteren Gedanken doch froh darüber, dass im Frauenhaus wenigstens ein Stück weit wieder der Alltag eingekehrt war.
»Mein Herr
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