Die Hurenkönigin (German Edition)
während sein Kollege, der die Geburtshilfe geleistet hatte, den winzigen Säugling behutsam in den Armen wiegte.
Nach den aufwühlenden Erlebnissen, die ihnen der Morgen beschert hatte, stand den drei Männern allesamt der Sinn nach einem kräftigen Schoppen Branntwein.
Um die neunte Stunde hielt es Bernhard von Wanebach nicht mehr länger zu Hause aus, er machte sich auf den Weg zum Frauenhaus, um nach Ursel zu sehen. Noch niemals hatte er die Geliebte in einer so desolaten Verfassung erlebt, und die Sorge um sie raubte ihm fast den Verstand.
Mit bösen Ahnungen betätigte Bernhard den Türklopfer. Hoffentlich hat sie sich nichts angetan, so verzweifelt, wie sie war!, sinnierte er düster und bereute es einmal mehr, dass er sich ihrem Wunsch gebeugt und sie allein gelassen hatte.
Es dauerte eine Weile, bis sich der Schlüssel im Schloss drehte und der neue Frauenhausknecht, von dem Ursel immer nur abfällig als »der Weinpanscher« sprach, Bernhard eintreten ließ.
»Ist die Gildemeisterin schon aufgestanden?«, erkundigte sich Bernhard bei ihm.
»Muss wohl«, knarzte der ungehobelte Bursche. »Sie hat mich doch schon in aller Früh in die Apotheke geschickt. Wollt eine große Flasche Himmelsarznei haben, weil’s ihr so dreckig ging. Und so, wie sie aussah, hab ich ihr das auch geglaubt!«
Bei der Erwähnung des Wortes »Himmelsarznei« war Bernhard erbleicht. Er ließ den Frauenhausknecht einfach stehen und stürmte die Treppe hinauf. Auf der Galerie kam ihm die alte Irmelin entgegen. Sie trug noch ihr Nachtgewand und wirkte übernächtigt und gebrechlich. Von ihrem Humor und dem frechen Mundwerk war nichts zu spüren, stattdessen hatte sie rotgeweinte Augen, und ihr Gesicht war von tiefen Kummerfalten zerfurcht.
»Die Meistersen hat die ganze Nacht geheult wie ein Schlosshund, das hat man auf dem ganzen Stockwerk gehört«, murmelte sie. »Das ist ja auch nicht mehr zum Aushalten! Erst die Rosi und jetzt auch noch die Grid – und wer weiß, was mit der Isolde passiert ist. Da möchte man sich doch am liebsten einen Strick nehmen.« Als sie Bernhards kummervolle Miene gewahrte, drückte sie ihn an sich und strich ihm über den Kopf. »Komm, mein Junge, mach dir keine Sorgen. Die Meistersen lässt sich schon nicht unterkriegen …«
»Wenn Ihr da nur recht habt!«, murmelte der Gelehrte niedergeschlagen und strebte auf Ursels Zimmertür zu.
Als Bernhard an die Tür klopfte, spürte er bei aller Besorgnis um die Geliebte auch Wut in sich aufsteigen. Vor gar nicht langer Zeit hatte ihm Ursel noch geschworen, sie werde die Finger vom Theriak lassen, und er hatte ihr damals in aller Entschiedenheit erklärt, dass er sich von ihr trennen würde, wenn sie sich nicht daran halte. Und nun hatte sie wieder damit angefangen!
Was mache ich eigentlich noch hier?, dachte er aufgebracht. Soll sie sich doch mit dem Dreckszeug den Verstand umnebeln, wenn ihr das wichtiger ist als unsere Liebe! Sie nimmt es doch billigend in Kauf, mich zu verlieren … Doch er fühlte, wie sich ihm vor Schmerz die Kehle zuschnürte. Als sich drinnen nichts rührte, drückte Bernhard die Klinke. Die Tür war verschlossen.
»Ursel, ich bin’s, mach bitte auf!«, rief er und schlug mit der Handfläche gegen das Holz.
Die Hurenkönigin stellte seine Geduld erheblich auf die Probe. Er vernahm ein Knarren, dann schlurfende Schritte, ehe endlich das Türschloss knackte und die Tür einen Spaltbreit geöffnet wurde. Aus glasigen Augen mit geröteten Lidern sah Ursel ihn an, sie schien große Mühe zu haben, sie offen zu halten. Ihr rotes Haar stand wild vom Kopf ab, und ihr Gesicht war bleich und aufgedunsen.
»Mir geht es miserabel, ich glaube, es ist besser, wenn du wieder gehst …«, lallte sie mit schwerer Zunge. Schon wollte sie die Tür wieder schließen, da stemmte sich Bernhard wütend dagegen. Er hätte Ursel fast umgerissen, als er in das abgedunkelte Zimmer stürzte.
»Keine Angst, du bist mich gleich wieder los«, stieß der Gelehrte hervor. »Ich möchte nur etwas klarstellen …«
Die Hurenkönigin wankte zum Bett zurück und verkroch sich unter der Decke. Bernhard riss zornig die zugezogenen Vorhänge auf und öffnete die Fensterflügel, um den stickigen Geruch zu vertreiben. Auf dem Holztischchen neben dem Bett bemerkte er die braune Theriakflasche, die fast zur Hälfte geleert war.
Ursel, der das grelle Tageslicht unangenehm war, murrte und zog sich die Decke über den Kopf.
»Hättest du vielleicht die Güte,
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